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Heinz Wraneschitz

Zukunft Gas: Lieber weiter Verbrennung statt Alternativ-Energien?

Thomas Rüggeberg (BMWK) stellt Wirkungsrade vor – im Studio (rechts) wird es verwundert wahrgenommen. Screenshot: Wraneschitz

Ein Erlebnisbericht von Heinz Wraneschitz

„Bei Wasserstoff voll aufdrehen“ – das will augenscheinlich die heutige Gasindustrie. Jedenfalls hat eine Webinarreihe von „Zukunft Gas“ (ZG) genau diesen Titel. Denn die bisherige (Erd-)Gaslobby-Organisation sieht sich schon länger als „Stimme der Gas- und Wasserstoffwirtschaft“.  Und so ging es in der jüngsten Ausgabe darum, in der Luftfahrt nicht mehr den Gas-, sondern den Wasserstoff-(H2-)Hahn voll aufzudrehen. Dabei wurde offensichtlich, dass die Organisation sich kaum mehr damit aufhält, über biogene Gaserzeugung nachzudenken – obwohl viele ihrer Mitglieder genau der Biogas-Szene angehören.

Transformation bedeutet für FG „vor allem, einen unverzichtbaren Beitrag für das klimaneutrale Energiesystem der Zukunft zu leisten, in dem die Erzeugung, der Import, der Transport, die Verteilung und der Vertrieb NEUER Gase nachhaltig und zukunftssicher“ gemacht werde, ist auf der Webseite der Organisation zu lesen. Dort ist aber auch zu sehen, dass ZG die Abscheidung von CO2 (CCS) auf verschiedene Arten sehr wichtig empfindet – was darauf hindeutet, dass H2 eher vordergründig als eine Art Deckmantel für die geplante Weiterverwendung fossilen Gases dient. Denn H2 als Energieträger braucht kein CCS.

Wie wichtig die Lobby-Organisation die Aufdreh-Reihe nimmt, zeigte sich besonders in der aktuellen Veranstaltung: Die moderierte ZG-Vorsitzender Timm Kehler persönlich anstelle des angekündigten Pressechefs Charlie Grüneberg. Glück spielte der ZG dann noch in die Karten. Denn eigentlich sollte Thomas Rüggeberg vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) als Erster referieren dürfen. Doch das BMWK verfügt offensichtlich bis heute nicht über stabile Internetverbindungen. So dauerte es einige Zeit, bis Renneberg per Telefon zugeschaltet werden konnte.

Referententausch lenkt von wichtigen Themen ab
Deshalb kam der eigentliche Zweit-Referent vor ihm dran: Peter Wehle vom Flugzeug-Turbinenbauer Rolls-Royce, der hierzulande früher mal MTU hieß. Wer Wehle zuhörte, merkte schnell: Die Firma hat kein anderes Ziel, als an der in den 1930er Jahren entwickelten Verbrennungstechnologie festzuhalten. Ihre Gasturbinen seien „heute schon SAF-fähig“, also mit SAF – „Sustainable Aviation Fuels“auf Deutsch: alternativ hergestellte Flugkraftstoffe – zu betreiben. Woher die kommen sollen in der notwendigen Menge, das kam in seinem Vortrag nicht vor.

„Die Umweltstrategie von Rolls-Royce heißt weniger Brennstoff. Es gibt keine Alternative, die Gasturbine zu ersetzen. Wir haben aber einen großen Hebel: Das künftige Ultrafan wird 25 Prozent weniger verbrauchen als die heutigen Triebwerke.“ Damit meinte er ein Forschungsprojekt seines Unternehmens. Dass aber auch dieses Triebwerk riesige Wärmeverluste haben wird, egal ob Kerosin, SAG oder H2 verbrannt wird, und wie hoch der Wirkungsgrad tatsächlich ist – auch das sagte Wehle nicht. Stattdessen ließ er sich über Details bei der Umrüstung der Turbinen auf H2-Betrieb aus, dozierte über die Unterschiede von Flüssig- und Hochdruck-Wasserstoff.

Der Rolls-Royce-Manager gab aber wenigstens zu, dass H2 in zwei Punkten sogar noch schlechter für die Umwelt ist als Kerosin: „In der Höhe entsteht 2,5 mal mehr Wasserdampf – und es werden mehr Nox (Stickoxide, d.Red.) freigesetzt, wie die Verbrennung heißer ist.“

Bedenken vom Klimaministerialen
Als Thomas Rüggeberg dann doch noch drankam, wurde klar: Wehle hätte völlig anders argumentieren müssen. Denn der BMWK-Ministeriale brachte „die Herstellverluste von 90 Prozent bei SAF“ auf den Bildschirm, den „Kostenfaktor von fünf bis sieben gegenüber Kerosin. Wirkungsgradverbesserung kann nicht alles sein.“ Deshalb müssten zum Beispiel „Fragen der Verfügbarkeit und mehr in die Betrachtung einer Technologieentwicklung mit einfließen“. Und: „Das Zeitfenster ist ganz knapp“ auf dem Weg zur anvisierten Klimaneutralität Deutschlands im Jahre 2045. Sein „Fazit: Die Flugzeugindustrie setzt zurzeit auf eine Technologie: Wasserstoff. Doch was, wenn das schiefgeht?“ Was Wehle sogar dazu brachte, für die „große Herausforderung Zeit und Geld für Forschungsprogramme“ zu fordern. Dabei werden schon jetzt jährlich Milliarden Euros in die H2-Forschung gepumpt.

Timm Kehler blieb trotzdem dabei: Sein Verband setzt auf das H2-Kernnetz, das für Deutschland beschlossen wurde – auch wenn „die Flughäfen damit nicht verbunden werden können“. Aber es seien ja große Kooperationsprojekte mit Tunesien oder Marokko angekurbelt. Was die tatsächlich bewirken sollen, ließ der ZG-Vorstand offen.

Kritische Fragen ignoriert
Genausowenig wollte er offensichtlich auf die vom Autor dieses Beitrags gestellten zwei Fragen eingehen, mit denen sich nicht nur der DGS-News immer wieder beschäftigen: „Warum verschieben sich die „Fünf Jahre, bis das Wasserstoffflugzeug fliegt“ seit den Ankündigungen auf der Hannovermesse in den 1980er Jahren jährlich nach hinten?“ Und: „Warum wird das meiste Luftfahrt-Forschungsgeld in Flugzeuge mit alternativen Antrieben gesteckt, aber große Luftschiffe bleiben fast komplett außen vor?“

Ob der Grund darin liegt, dass Luftschiffe auch mit Elektroantrieben fliegen können, also kein Gas welcher Form auch immer brauchen würden? Das blieb Spekulation. Denn ZG-Moderator Kehler ignorierte die Fragen komplett und erwähnte sie – anders als irgendwelche Detailthemen – einfach nicht.