Thematische Einordnung

Ein Situationsbericht zur Biogasbranche von Heinz Wraneschitz
Auch wenn die Protagonisten noch so bemüht um die Wette lächeln: In der hiesigen Biogasszene geht die Angst um. Das war auf der Online-Pressekonferenz des Fachverbands Biogas am Mittwoch dieser Woche deutlich spürbar. Vor allem durch das Ampel-Aus könnten die zwischenzeitlich vorsichtig aufkeimenden Hoffnungen platzen wie Seifenblasen.
Noch im August 2024 sah die bundesdeutsche Biogas-Branche einen Sonnenstrahl am Horizont: Die Bundesregierung – vor allem in Person des Grünen Energieministers Robert Habeck – habe „die Zeichen der Zeit richtig gedeutet“, ließ damals der Fachverband (FVB) Biogas wissen. Zu Habecks Umdenken dürften auch Gespräche wie jenes beigetragen haben, das im Juli in Merkendorf stattgefunden hatte. Wie von DGS-News berichtet, forderten dort selbst die dabei anwesenden Energie-Sprecher:innen der Bundes-Ampel-Koalition Änderungen an Habecks teilfossilen Kraftwerks-Zukunftsplänen. Und eigentlich schien alles auf einem guten Weg, der auch der Biogas-Industrie wie den oft bäuerlichen Anlagenbetreibern eine planbare Zukunft sichern könnte. Doch dann kam der womöglich mit langer Hand vorbereitete FDP-Ampel-Schluss.
Deshalb stehen nun wichtige energie- und klimapolitische Entscheidungen auf der Kippe. Ob Kraftwerkssicherungsgesetz, EEG-Renovierung oder Energiewirtschaftsgesetz: Die größte Bundestags-Oppositionsfraktion CDU/CSU will wahrscheinlich die aktuelle Minderheitsregierung bei der Verabschiedung des Gesetzes nicht unterstützen. Denn darin gibt es selbst – oder gerade – für Unterstützer der Erneuerbaren Energien viele Kröten, die nicht zu schlucken sind, wie DGS-Geschäftsführer Jörg Sutter eindrücklich erläutert hat, und auch in dieser News-Ausgabe nochmals nachlegen wird.
Biogas = Heimatenergie
Der FVB jedenfalls sieht sich selbst auf der „Guten Seite der Energiemacht“. Denn Biogas ist Heimatenergie, brauche nicht wie Fossilgas oft gefrackt oder anders umweltfrevelig aus dem Boden gepumpt und weit transportiert zu werden; vom negativen Einfluss auf die Handelsbilanz gar nicht erst zu reden. Nur könnten die Biogasproduzenten die Vorteile ihrer Grünen Energie womöglich bald nicht mehr unter Beweis stellen. Dass die bereits genannten Gesetzentwürfe vor der Wahl wohl nicht mehr den parlamentarischen Segen bekommen werden, damit scheint sich FVB-Präsident Horst Seide inzwischen abgefunden zu haben. Und auch „das versprochene Biomassepaket ist nicht gekommen und wird wahrscheinlich nicht mehr kommen“. Doch „dass zwei Zahlen in den Ausschreibungen für 2025 geändert werden“, auf „diese kleine Chance“ hofft der Verbandschef weiterhin: Zum Einen solle die Innovationsprämie von aktuell 60 auf 120 Euro pro installiertes kW hoch gesetzt werden – „die Fossilindustrie fordert für sich gar 150 Euro pro kW“.
Und zum Zweiten müsse „das Biogas-Ausnahmevolumen der Bundesnetzagentur einmalig 1.800 kW im nächsten Jahr betragen. Sonst haben zehn Prozent aller Biogas-Anlagen keine Anschlussförderung. Und dann fallen eine Reihe Wärmenetze weg“, lenkte Seide den Blick vor allem in ländliche Regionen. Denn in vielen Dörfern wurden in den letzten Jahrzehnten Wärmenetze gebaut, versorgt von meist kleineren Biogasanlagen: Neben Strom ins Netz lieferten sie große Wärmemengen für Privathäuser wie Gewerbe und Industrie. „Die Menschen haben deshalb keine Öl- oder Gasheizungen mehr“, beschrieb Seide das mögliche Szenario. Sprich: Es würde kalt in vielen Dörfern.
Viel Wertschätzung ohne finanzielles Entgegenkommen
Auf der gerade beendeten Leitmesse Energy Decentral in Hannover hat FVB-Vizepräsident Christoph Spurk „viel Wertschätzung erfahren für das Biogas“. Denn nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem plötzlichen Fehlen russischen Erdgases war Biogas weiter verfügbar, wurde gerade auch zu Zeiten von Spitzenbedarf verstromt. „Doch nun ist die Verunsicherung da, vor allem bei den Betreibern.“ Man würde ja gerne mehr Wärmenetze aufbauen, mit Stadtwerken kooperieren, die Technologien wie Wärmepumpe und BHKW verknüpfen. „Denn alles war auf der Messe sichtbar. Selbst KI hat Einzug gehalten. Es waren Speicherkraftwerke mit sehr großen Überbauungen zu sehen. Die Branche ist definitiv bereit, neue Wege zu gehen. Doch die politischen Rahmenbedingungen wurden nicht verbessert, sondern sogar verschärft.“ Und deshalb würden Investitions-Entscheidungen so weit wie möglich hinausgezögert. Spurk sieht sogar die Gefahr, dass Betreiber mit neuen Ausschreibungs-Geboten „das bestehende Investment zu sichern versuchen, die Anlage aber nicht langfristig fortführen wollen“.
Aber allein, wenn jene besagten zehn Prozent der bestehenden Anlagen keine Anschlussvergütung bekämen, dann fielen laut Horst Seide 17 Terawattstunden (TWh) Strom und ebenso viele TWh Ökowärme weg. Leider behandelten Politik wie Medien „die Wärmeerzeugung als Stiefkind. Aber wenn diese Mengen wegfallen, ist das beachtlich. Denn das trifft die, die mit Grüner Wärme heizen. Eine ganz große Herausforderung, hier schnell etwas zu tun. Denn das gibt eine ganz heiße Diskussion auf den Dörfern.“
FVB-Hauptgeschäftsführer Claudius da Costa Gomez erwähnte aber auch die Stromproduktion der Biogasanlagen: „Wenn diese Strommengen in Dunkelflauten auch noch fehlt, hat das eine Auswirkung auf den Strom-Markt und -Preis.“ Zuletzt sind ja bereits wieder 80 Cent pro kWh an der Börse bezahlt worden.
Die CDU als Heilsbringer?
Nun setzt Horst Seide ganz stark auf eine CDU-geführte künftige Bundesregierung, wenngleich deren Handschrift nach seiner Einschätzung frühestens in einem Jahr sichtbar würde. Eine solche Regierung habe für Biogas offenere Ohren als die bisherige Ampel. Claudius da Costa Gomez verweist in diesem Zusammenhang auf „ein energiepolitisches Papier der CDU, da steht viel von unseren Forderungen drin.
Einen Ratschlag aber hat der FVB-Chef an Friedrich Merz und Co: die von CDU und CSU immer wieder propagierten Rückfall in die Kernenergie sieht er als „nicht passend für das künftige Stromsystem an. Atomkraft ist das Gegenteil von dezentraler Erzeugung.“ Sein Geschäftsführer Gomez stellt jedoch ganz diplomatisch klar: „Wir sind in der Regel nicht gegen etwas, sondern für Biogas.“ Und was die Technologie heute schon könne, zeige man gerne – zum Beispiel im Internet, oder während der in der Kalenderwoche 48 anstehenden „Woche der Wärme 2024“.