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Jörg Sutter

Wie kann es europäisch vorangehen?

PV-Anlagen auf Hausdächern in den Niederlanden [Bild: Sutter]

Eine Analyse von Jörg Sutter

Mario Draghi ist ein bekannter Mann. Er war italienischer Ministerpräsident und zuvor von 2011 bis 2019 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Eben dieser Mario Draghi hat nun einen Bericht an die EU-Kommission abgeliefert, in dem der Zustand und die Perspektive der EU-Industrie hinsichtlich sauberer Technologien beschrieben wird. Der Bericht soll die Zukunftsfähigkeit der Industrie beschrieben; er ist auch ein Plädoyer für die stärkere Nutzung der erneuerbaren Energien.

Status Quo
Der Bericht analysiert zu Beginn die aktuelle Situation der Industrie und der Energiepreise in verschiedenen Weltregionen und zeigt übersichtlich, wie günstig Strom in den USA im Vergleich zu den EU-Ländern ist, und wie groß sich die Unterschiede bei der CO2-Bepreisung auch in den Produktkosten z.B. bei Stahl niederschlagen.

Eine klare Aussage im Bericht: Die Dekarbonisierung der europäischen Energieversorgung schafft zwei große Vorteile. Zum einen eine erhebliche Verminderung der Importabhängigkeit, zum anderen werden die deutlich günstigeren Erzeugungspreise für Erneuerbare Energien angeführt.

Der Bericht fordert: Die günstigen Preise der Erneuerbaren müssen auch bei allen Endkunden ankommen – was heute noch nicht der Fall ist. Und die Dekarbonisierung muss beschleunigt werden.

Wir kann es voran gehen?
Der Bericht geht nicht auf Detailregelungen ein, doch für verschiedene Bereiche werden kurz- mittel- und langfristige Vorschläge aufgelistet und erläutert, die auf die Ziele einzahlen. Beim Strom sind das zum Beispiel der Bürokratieabbau zur schnelleren Umsetzung, der Netzausbau, sowie der Anreiz zum Eigenverbrauch bei der energieintensiven Industrie. Nicht zuletzt fordert Draghi ein gemeinschaftliches Regelwerk in der EU, das eine Energie-Union entstehen lässt an Stelle der heute oft nationalen Einzelmärkte.

Neben der Energie werden auch die Rohstoffe betrachtet, die ebenfalls wichtig für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit sind. Digitalisierung, Einsatz von künstlicher Intelligenz und andere Bereiche werden ebenfalls abgehandelt. Doch bleiben wir bei den Erneuerbaren Energie und der Solartechnik:

Vorschlag: „local content“ verlangen
Der Bericht nennt die Anforderung nach „local content“, um ein Mindestmaß an Technologieentwicklung sichern zu können. Mit der Forderung nach „local content“ ist gemeint, dass z.B. bei Förderprogrammen eine Anforderung nach lokal gefertigten Komponenten eingeführt werden könnte, um die Produktion anzukurbeln. Mit local ist hier natürlich nicht die direkte Nachbarschaft, sondern in diesem Fall die EU gemeint. Ein Mitgliedsstaat könnte also eine PV-Förderung nur für Anlagen aussprechen, die z.B. mit europäischen Solarmodulen oder europäischen Wechselrichtern ausgestattet sind. Für die PV-Industrie würde damit eine Nachfrage erzeugt, die nicht aus dem Ausland bedient werden kann.

Andererseits gibt es viele Beispiele, dass solche Regelungen auch einfach ausgehebelt werden können, indem neue Endproduktionen einfach in der EU aufgebaut werden. Das ist zum Beispiel bei der Autofabrik von Tesla in Brandenburg gegeben. Da die Endproduktion im Land stattfindet, werden diese Fahrzeuge statistisch als deutsche Fahrzeuge gezählt.

Warnung vor Abschottung
Draghi und sein Team haben sicherlich auch die Entwicklungen bei Mobilfunk (Stichwort Huawei) und der Autoindustrie (Stichwort Strafzölle) im Kopf gehabt, als sie in den Bericht die klare Warnung vor einer Abschottung vor China platziert haben.

Der Bericht geht davon aus, dass China die Solarmodulproduktion weiter erhöht, obwohl schon aktuell Überkapazitäten vorhanden sind. Im Jahr 2030 könnte China das doppelte des Jahres-Weltbedarfes produzieren und auch bei Batterien den gesamten Weltbedarf abdecken. Hier geht es dann um Marktanteile und Marktbeherrschung, nicht um vernünftige Produktionsplanung. Das könnte dann (wie zum Teil heute schon sichtbar) zu sinkenden Preisen, aber auch zu den damit verbundenen Problemen der hiesigen Industrie führen.

Die USA und auch Indien haben begonnen, u.a. im Bereich der sauberen Technologien Handelsschranken gegenüber chinesischer Technik hochzufahren. Diese Produkte werden nun zum Teil nach Europa umgeleitet und auf unserem Kontinent verkauft. Draghi warnt: Sollte auch Europa Handelsschranken einführen, dann gefährdet das die Umsetzung der Umweltziele und erhöht die Kosten für die europäische Industrie im Allgemeinen.

Und eine weitere Forderung wird von Mario Draghi formuliert: Die Europäische Union solle doch einen Plan aufstellen, der alle politischen Maßnahmen mit den europäischen Zielen abstimmt. Dass das notwendig ist, sieht man schon mit einem Blick auf Deutschland, wo einerseits das Elektroauto stärker gefördert werden soll, andererseits die Subventionen beim Diesel nicht angetastet werden.

Der Bericht ist in einer Kurzfassung (69 Seiten) und einer Langfassung mit 328 Seiten in englisch kostenlos per Download erhältlich.