
Ein Kommentar von Heinz Wraneschitz
Unsere Regierung in Berlin agiert so, wie wenn eine Verkehrsampel gleichzeitig Rot, Gelb und Grün zeigt. Ob Sozen (Rot), Libs (Gelb) oder Grüne – die Farbe stimmt eh’ nicht mehr: Alle „Partner“ der so genannten „Fortschrittskoalition“ tun so, als hätten sie das Sagen. Aber ich habe das Gefühl, dass sich fast immer nur die mit der Farbe in der Mitte der Ampel durchsetzen. Und weil sie sich ohnehin als Reichen-Lobby sehen, geht es den Lindner-Jüngern am Allerwertesten vorbei, was die sich selbst als sozial und umweltlich orientiert einschätzenden Regierungsmitglieder erreichen wollen.
So ist beispielsweise das im vergangenen Jahr rauf und runter diskutierte „Solarpaket 1“ bis heute noch nicht einmal komplett versandfertig. Dabei hätte das ein zentraler Baustein auf dem Weg zur Nachhaltigkeit werden sollen. Stattdessen zeigt sich hier ein weiteres Versagen der „Fortschrittskoalition“ beim wichtigsten Zukunftsthema Klima- und Energiewende. Genauso wie kurz zuvor beim so genannten Heizungsgesetz. Durch das Verfassungsgerichts-Urteil zur Verwendungsverschleierung von 60 Mrd. Euro aus der Corona-Krisenzeit wurde das Chaos noch einmal massiv angeschürt.
Jeder logisch denkende Mensch würde doch zunächst dort Subventionen abbauen, wo am meisten zu holen und am wenigsten kaputtzumachen ist. Weil ich mich zu dieser Gruppe Mensch zähle, würde ich auf jeden Fall zuerst das unsäglich unterbesteuerte Flugbenzin mit einer heftigen Kerosinsteuer belegen. Genauso ärgert es mich, dass die Nutzer:innen von Firmenautos von der 0,5%-Regelung für Plugin-Hybride profitieren, die zu großen Teilen nie in der Leasingzeit eine Grünstrom-Steckdose zum Laden sehen. Das ist nur die krasseste Fehlsubvention beim „Dienstwagenprivileg“, das komplett abgeschafft gehört. Da aber fehlt der Regierung der Mut, die entsprechenden Unternehmen – Konzerne wie Mittelstand – in die Pflicht zu nehmen.
Stattdessen haben die Ampelianer:innen zwei Mini-Subventionen für Bauern ganz oben auf die Streichliste gesetzt: Jene, die den Agrardiesel billiger macht, und diese für bislang nicht erhobene Kfz-Steuer für landwirtschaftliche (Groß-)Maschinen.
Und was machen die Landwirte?
Genau mit solchen Gerätschaften – Traktoren, Radlader, Kipplaster und mehr – blockieren zigtausend Bauern (m/w/d) seit Anfang dieser Woche nun Innenstädte genauso wie Autobahnen. Ob Pendler:innen oder Kinder, die zur Schule wollen: Sie finden oft kein Durchkommen, werden daran gehindert, produktiv oder kreativ zu sein. Dabei sind die landwirtschaftlichen Maschinen – wenn überhaupt – mit Grünen Nummernschildern ausgestattet. Und „Grün“ hat nichts mit Umwelt zu tun, sondern mit „Zweckgebundenheit. Das heißt: Du darfst dein Fahrzeug nur für den zugelassenen Zweck benutzen“, wie die Allianz-Versicherung schreibt und ganz konkret an einem Beispiel erklärt: „Du hast einen Pferdeanhänger, um an Turnieren teilnehmen zu können. Du darfst mit dem Anhänger deshalb nur zu Turnieren fahren. Für einen privaten Umzug darfst du den Anhänger nicht nutzen. Und Achtung: Wenn du die Auflagen nicht beachtest, begehst du Steuerhinterziehung.“ Straßen blockieren ist aber sicherlich nicht die Zweckbestimmung von Traktoren.
Dennoch solidarisieren sich nicht nur Politiker:innen der mancherorts als Verfassungsfeinde beobachteten AfD mit den Bauern, sondern auch solche von CDU, CSU oder (gerade in Bayern) den Freien Wählern. Durch die von der Regierung angedachte Normalbesteuerung des Diesels für die Landwirtschaft sei die Existenz Tausender bäuerlicher Betriebe gefährdet, heißt es aus mittel- und rechtpopulistischen Politikkreisen seit Wochen. Dabei hat selbst das nicht gerade als bauernkritisch bekannte Fachmagazin agrarheute.de ausgerechnet: „Für einen durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieb war die Erstattung von 21,48 Cent/l Diesel im Wirtschaftsjahr 2020/21 insgesamt 2.883 Euro wert.“ Großbetriebe dagegen „profitieren am stärksten vom Steuernachlass“, heißt es dort weiter. Werden also die Bauernproteste von Managern solcher Agrar-Fabriken angestachelt, weil sie selbst bei der FDP kein Gehör finden? Denn sogar der Bauernverband gibt ein „Allzeithoch bei den Wirtschaftsergebnissen im Wirtschaftsjahr 2022/23“ zu. „Die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise stiegen im Wirtschaftsjahr 2022/23 mit durchschnittlich plus 23 Prozent deutlich stärker als die Preise für landwirtschaftliche Betriebsmittel mit plus 16 Prozent“, fasst der „Situationsbericht Buchführungsergebnisse“ zusammen.
Die eigentlich verantwortlichen Politiker:innen sind andere
Wer genauer hinschaut: die niedrigsten Einnahmen hatten die Bauern im Wirtschaftsjahr 2020/21 – also zu Endzeiten der Merkel-geführten „GroKo“ aus CDSU und SPD. Doch heute finden die Bauern die Hauptschuldigen ihrer nicht vorhandenen Wirtschaftskrise bei den Grünen – nicht aber bei CDSU oder gar AfD. Die Oppositionsparteien haben übrigens mit den Ampelparteien im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags am 15. Dezember 2023 genau für den Subventionsabbau im Haushalt insgesamt gestimmt, also auch bei den Bauern. Doch trotz dieser Einstimmigkeit im Bundestag haben die Ampel-Koalitionär:innen kurz danach angsthäsig zurückgerudert, die Steuerpläne halbherzig korrigiert und so das Steuer-Chaos nochmals befeuert. Statt einmal konsequent zu sein, haben sie – wie seit der letzten Wahl immer wieder – das rote, gelbe und grüne Licht gleichzeitig eingeschaltet.
Dass sich die Proteste nun ausgerechnet am Regierungs-Plan festmachen, eine Subvention von Verbrennerkraftstoff abzuschaffen, und dass Bauern mit Dieselstinkern die Straßen blockieren – für ähnliche Blockaden werden Klimakleber als Terroristen beschimpft und wegen „Nötigung“ verurteilt – ist für mich ein schreckliches Zeichen: Wer an die Zukunft der Menschheit und den Klimaschutz denkt, dabei möglicherweise die falschen Mittel einsetzt, wird abgewatscht. Aber wer egoistisch an Dieselverbrennung und sein Einkommen denkt, dabei aber dieselben Mittel einsetzt, wird von Politiker:innen hofiert. Und das sogar von solchen, die der roten Partei der Regierungsampel angehören.
Eine solche „Rein-und-raus-Kartoffel“-Energiepolitik kannte ich früher übrigens vor allem aus Bayern. Ob sich die aktuelle „Fortschrittsampel“ hier ein Beispiel genommen hat?