
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
Der Flächenstaat Bayern hinkt neben Baden-Württemberg beim Ausbau der Windkraft massiv hinterher. Trotz aller Regierungs-Beteuerungen der letzten Jahre. Könnte eine Idee vierer Kommunen aus dem Landkreis Ansbach / Mittelfranken helfen, den Windzubau voranzubringen?
„Im vergangenen Jahr sind (in Bayern; d.Red.) 14 neue Windräder ans Netz gegangen. … Das werden wir nutzen, jetzt mit dem Rückenwind unserer Maßnahmen durchstarten und in den nächsten Jahren die Zahlen dynamisch steigern“, verkündete Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am 27. Januar 2023. Er versprach konkret, dass es 2023 „deutlich mehr werden“ sollen.
Doch das Gegenteil trat ein: Es ging dynamisch wieder runter mit dem Windzubau; im vergangenen Jahr wurden im Freistaat gerade mal sieben neue Windkraftwerke ans Verteilnetz angeschlossen – also halb so viele wie 2022. Dabei ging in genau diesem Jahre 2022 auch das „Wind-an-Land-Gesetz“ der Bundesregierung an den Start. Es fordert die kurzfristige Ausweisung vieler neuer Windgebiete – auch in Bayern. Bis 2027 müssen in Bayern 1,1 Prozent, bis 2032 gar 1,8 Prozent der Landesfläche explizit für Windkraftnutzung ausgewiesen werden.
Entweder geregelt – oder privilegiert
Bei Windkraft drängt deshalb die Zeit, weil ansonsten „Wildwuchs“ drohe, wie es Rainer Fugmann formuliert: Die grundsätzlich bereits privilegierte Errichtung von Windrädern müsste dann – ähnlich wie bei Ställen – überall genehmigt werden, sofern die Planer keine gesetzlichen Vorschriften verletzen. An Bayerns Bezirksregierungen sind deshalb die Regionsbeauftragten dabei, die notwendigen neuen Flächen zu finden; selbst Naturparke sind inzwischen keine Wind-Tabuzonen mehr.
Fugmann ist der Regionsbeauftragte bei der Regierung von Mittelfranken für den Regionalplan Westmittelfranken, die so genannte „Region 8“. Seit der Bundestag vor eineinhalb Jahren jenes Wind-an-Land-Gesetz beschlossen hat, ist der Beamte nach eigener Aussage „nur noch mit Wind beschäftigt“. Dabei umfasst sein Arbeitsgebiet nicht nur die Energieerzeugung, sondern alle Bereiche, die regional „raumbedeutsam“ sind: von der Nutzung von Bodenschätzen bis zur Wasserversorgung.
Eine Idee, die der Regionsbeauftragte für die „Region 8“, entwickelt: Er will nicht nur neue Windvorrang- und -vorbehaltsgebiete vorschlagen, sondern dem Regionalen Planungsverband – also den Kommunen – rund um die bestehenden Windräder möglichst effizient weitere Flächen für Windkraft nahelegen. Vier Kommunen im Kreis Ansbach wollen nun ihren vermeintlichen Informationsvorsprung nutzen und bei der möglichen Erweiterung des bereits bebauten Windvorranggebiets WK25 gemeinsame Sache machen. Das wurde auf einer gut besuchten Veranstaltung am Montag in Merkendorf im Landkreis Ansbach deutlich.
Wird Erweiterung der Windflächen kommunal organisiert?
Seit Jahren drehen sich drei Windräder im 2017 ausgewiesenen WK25 zwischen den Dörflein Winterschneidbach und Zandt. Nun haben die Marktgemeinden Weidenbach und Lichtenau sowie die Städte Ansbach und Merkendorf ihren eigenen Plan vorgestellt. Sie wollen schon jetzt Bürger:innen und Grundbesitzende von der gemeindeübergreifenden, ziemlich neuen Idee überzeugen: Für die Grundstücke soll ein so genannter „Flächenpachtvertrag“ geschlossen werden. Dann sollen dort von Bürger:innen finanzierte Windräder errichtet werden.
Damit bliebe die gesamte Wertschöpfung in der Region: Die aus Windstrom erzielten Einnahmen flössen in die Kassen der Kommunen ebenso wie auf die Konten der Geldgeber, erläuterte der im Auftrag des Bayerischen Wirtschaftsministeriums tätige „Windkümmerer“ Erich Maurer. Das klingt realistisch, denn Merkendorfs 1. Bürgermeister Stefan Bach kennt „keine unwirtschaftlichen Windkraftwerke im Bezirk“.
Außerdem könnten die Eigner vor Ort mitbestimmen, wie möglichen Emissionen der „sanften Riesen“ eingedämmt werden können. So habe der Staat zum Schattenwurf festgelegt: „30 Minuten an einem einzelnen Tag, aber insgesamt höchstens 30 Stunden im Jahr sind zu akzeptieren“, erläuterte Maurer. Doch wenn die Bürgerschaft selbst die Anlagen betreibe, könne sie auch bestimmen, ob ein Windrad nur zu gesetzlich vorgeschriebenen Zeiten abgeschaltet werden müsse, um den Schattenwurf auf einzelne Häuser zu verhindern, oder ob diese Zeiträume ausgeweitet werden.
Wenn Gutachten auf Wirklichkeit trifft
Denn dass nicht alles stimmt, was offiziell neutral agierende Schattenwurf-Gutachter vorhersagen, bewies eine Bürgerin aus dem nordöstlich von WK25 gelegenen Weiler Oberrammersdorf mit eigenen Videoaufnahmen aus ihrem Haus: Da sieht man den Schatten einer über zwei km entfernten Windkraftanlage an einem Winternachmittag übers Fenster huschen, den es laut Gutachten eigentlich gar nicht geben dürfte.
„Wenn man es nicht selber in die Hand nimmt, passiert was wir nicht wollen. Auf jeden Fall wollen wir die Bürger mitnehmen“, machte der als Moderator agierende Merkendorfer Bürgermeister Bach deutlich. Als jedoch von Zuhörerseite immer mehr Detailfragen kamen, gab er zu bedenken: „Wir stehen ganz am Anfang. Wir diskutieren über Fakten, die es noch nicht gibt.“ Denn jetzt stünden erst einmal die Gespräche mit den Eignern der möglichen Grundstücke an, dann würde ein Projektierer gesucht, und schließlich eine Betreibergesellschaft gegründet, an der sich Bürger:innen wie Kommunen beteiligen könnten. Vor 2028 werden sich die möglichen drei bis vier neuen Windräder wohl nicht drehen, so die Schätzung.
Kommunen womöglich schon zu spät dran
Das alles kann aber nur klappen, wenn einzelne Eigner der erwarteten erweiterten WK25-Fläche noch keine Vorverträge mit Fremd-Investoren geschlossen haben: Aus dem Publikumskreis wurde jedoch vermutet, das sei bereits geschehen. Und das, obwohl der Regionale Planungsverband erst Ende April 2024 den Regionalplan mit neuen Windflächen beschließen will.
Vielleicht sind ja Kommunen in anderen Planungsregionen Bayerns schneller? So gibt es – anders als in Mittelfranken – zum Beispiel für den Norden Oberbayerns noch nicht einmal bestehende Windflächen-Pläne, wie Rainer Fugmann weiß. Und bei der Neuausweisung von Windgebieten in Regionalplänen sind die Kommunen ja die maßgeblich Handelnden, die frühzeitig wissen, was passieren könnte.
Windkümmerer Erich Maurer konnte sich an dem Abend aber einen Seitenhieb auf die Städte und Gemeinden nicht verkneifen: „Die 10H-Regelung hätte genau diese kommunale Beteiligung sicherstellen können, wie sie jetzt hier angedacht ist. Nur wurde 10H anders genutzt.“ Sprich: Fast überall in Bayern ist durch 10H der Ausbau der Windkraft verhindert worden. Denn trotz 10H – also des festgelegten Mindestabstands der zehnfachen Windanlagenhöhe zur Bebauung – hätten Kommunen Windflächen auch näher an Wohngebieten ausweisen können, so Maurer. Sie hätten sich nur abstimmen müssen mit den Nachbarn. So wie jetzt endlich im Kreis Ansbach.
Stichwort: Flächenpachtmodell
„In dem Vertrag zwischen Kommunen und Eigentümern steht drin, dass beide Seiten die Fläche gemeinsam entwickeln. Dadurch haben die Kommunen die Gestaltungshoheit. Ein fremder Investor würde sich einen Grundstückseigentümer suchen, direkt wo die Anlage errichtet wird. Der einzelne Eigentümer wird vom Investor mehr bekommen. So aber profitieren alle im Windgebiet.“
Erich Maurer, Staatlich bestellter „Windkümmerer“
Erich Maurer, „Windkümmerer“ für Ober- und Mittelfranken. Foto: Heinz Wraneschitz
