Eine Analyse von Jörg Sutter

[Bild: Sutter]
Noch ist es ja nicht ganz sicher, dass die neue Koalition kommt, denn die Parteien müssen dem ausgearbeiteten Koalitionsvertrag ja noch zustimmen. Doch man kann schon spekulieren, wie es politisch weitergeht – aus dem, was im Vertrag steht und auch aus dem, was eben nicht in den Vertrag aufgenommen wurde. Nachdem im vorangegangenen Beitrag der Klimaschutz und die Auswirkungen auf Gebäude und Heizung analysiert wurden, möchte ich die Photovoltaik und die Elektromobilität betrachten.
zuerst: Koalitionsvertrag relativieren
Neben der Unsicherheit, dass der Vertrag noch nicht endgültig verabschiedet ist, gesellt sich noch eine zweite Unsicherheit, auf die ich auch gleich zu Beginn hinweisen möchte: Ein Koalitionsvertrag wird geschlossen, „um die mittel- bis langfristige Zusammenarbeit einer gemeinsamen Koalitionsregierung während der anstehenden Legislaturperiode zu regeln“ – so die Definition auf Wikipedia. Und weiter: „Koalitionsverträge sind jedoch keine rechtsverbindlichen Verträge im engeren Sinne, sondern letztlich lediglich politische Absichtserklärungen [..]. Insofern sind sie auch nicht gerichtlich einklagbar, sondern im Gegenteil sogar demokratietheoretisch und verfassungsrechtlich umstritten.“
Und: Im Vertrag selbst ist festgehalten: „Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“ und: „Bei zusätzlichen Maßnahmen außerhalb des beschlossenen Finanzrahmens soll grundsätzlich eine vollständige und dauerhafte Gegenfinanzierung im jeweiligen Etat des Bundeshaushalts sichergestellt werden.“
Also: Wunschkonzert und Unsicherheit, Umsetzung nur, wenn auch Geld dafür da ist.
Und wer erinnert sich nicht an das häufige Geplänkel „das steht so aber nicht im Koalitionsvertrag!“ – „müssen wir aber trotzdem machen“ mit der letzten Regierung? Also: Das ganze ist ein Absichtspapier, nicht mehr und nicht weniger. Weitere Randbedingungen können aus meiner Sicht zu gravierenderen Änderungen führen, dazu ganz unten im Text mehr.

[Bild: Koalitionsvertrag]
Ist Photovoltaik im Vertrag enthalten?
Ja, die Photovoltaik ist im Koalitionsvertrag ausdrücklich erwähnt. Die erste Fundstelle ist in der Themenliste der Forschungs- und Innovationsforschung: „Wir bauen die Forschung im Bereich Photovoltaik, Windenergie, Geothermie, Wasserstoff sowie Speichertechnologien wie zum Beispiel Batterien aus.“
Hier soll es also bei Fraunhofer ISE, ZSW und weiteren Einrichtungen auf jeden Fall weitergehen. Ganz wichtig auch der Hinweis zur Batterieforschung, wurde diese ja von der Ampel stark zusammengestrichen.
Im Kapitel Klima und Energie findet sich dann schon eine konkretere Beschreibung, wie es mit PV weitergehen soll als komplettes Zitat:
„Die Förderung der Solarenergie in Verbindung mit Speichern soll systemdienlich ausgestaltet werden. Wir wollen private Haushalte zu Akteuren der eigenen Energieversorgung machen. Betreibern von Bestandsanlagen setzen wir Anreize für eine netz- und systemdienliche Einspeisung und prüfen die neuen Bestimmungen des Solarspitzengesetzes für die Nullvergütung bei negativen Preisen und der Direktvermarktung. Anmeldeverfahren werden wir durch Digitalisierung und Standardisierung vereinfachen. Wir achten auf Flächenschonung und wollen Möglichkeiten der Doppelnutzung, wie zum Beispiel Parkplatz-, Agri- und Floating-PV erleichtern.“
Das klingt erst einmal positiv – daraus gehen aber praktisch keine konkreten Vorhaben hervor. Die Systemdienlichkeit mit Speichern wurde ja vor kurzem erst politisch umgesetzt, war am Solarspitzengesetz nur schon wieder geprüft werden soll, erschließt sich mir nicht. Die Digitalisierung und Standardisierung ist auch schon von der alten Regierung auf den Weg gebracht, auch die genannten Erleichterungen für Doppelnutzen sind grundsätzlich positiv zu bewerten.
Und was fehlt? Kein Wort zu den fehlenden EU-Freigaben des EEG, nur eine kurze Nennung von Bürgerenergie und Energy-Sharing – da erwarte ich keine schlagkräftigen positiven Impulse. Aber eben auch keine neuen Hemmnisse oder gar konkrete Ausbaubeschränkungen – damit gelten auch die Ausbauziele des EEG erst einmal voll weiter. Die im Vertrag an anderer Stelle genannte Einschränkung auf Netzdienlichkeit („Der entschlossene Ausbau Erneuerbarer Energien beinhaltet den netzdienlichen Ausbau von Sonnen- und Windenergie [..]“) kann aus diesem einen Satz nicht auf konkrete Auswirkungen bewertet werden.

[Bild: Sutter]
Wie geht’s mit den Elektroautos weiter?
Im Feld der Elektromobilität sind einige Ziele im Koalitionsvertrag konkret benannt, jedoch auch ohne Zeitangaben und konkretes Umsetzungsvolumen. So soll eine Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge und die Anhebung der Grenze für steuerliche Förderung von Dienstwagen auf 100.000 Euro kommen. „Kaufanreize“ sollen die Elektromobilität voranbringen.
Das Depotladen im gewerblichen Bereich soll gefördert werden und für Speditionen sicher ein entscheidendes Argument: Über 2026 hinaus (wie lange konkret? unklar) bleiben emissionsfreie LKW von der Mautpflicht befreit.
Und sonst so?
Eines ist auch klar: Die Energiepolitik wird auch nicht nur von der neuen Bundesregierung gemacht. So müssen wesentliche Energiegesetze auch immer vom Bundesrat abgesegnet werden. Und die Länder gehen das Thema ja in letzter Zeit immer verstärkter an: Neben den Solarpflichten auch mit landesweiten Erleichterungen für die Projektumsetzungen (Beispiel aus Baden-Württemberg unten bei „übrigens“).
Und Firmen im PV- oder Mobilitätsbereich empfehle ich auch, den Koalitionsvertrag komplett durchzuschauen – da warten an vielen Stellen noch Überraschungen, sei es bei den Steuern oder zum Beispiel bei der geplanten Vorgabe, Start-Ups zukünftig bei Staatsaufträgen auszuschließen, wenn sie nicht tarifgebunden arbeiten (und welches Start-Up hat einen Tarifvertrag?).
Der weltweite Markt
Andere Randbedingungen, die nichts mit unserer Politik zu tun haben, könnten in kurzer Zeit massive Auswirkungen auf den Markt der Photovoltaik und auch der Elektromobilität haben, vor allem die aktuell unsäglichen Zollaktionen den Herrn Trump.
Hier kann es spannend werden: Werden Solarmodule bei uns zukünftig teurer, weil sich Komponenten durch Zölle verteuern? Oder passiert genau das Gegenteil? Module könnten bei uns auch billiger werden, wenn der Import aus China in die USA gebremst wird und damit die Hersteller versuchen müssen, mehr Module nach Europa zu verkaufen.
Eine ähnliche Frage kann auch für die Elektromobilität derzeit nicht beantwortet werden, dort kommt noch die Komplexität der noch stärker weltweit vernetzten Lieferketten und das Problem der Rohstoffversorgung dazu. Nachdem China aktuell den Export einiger seltenen Erden beschränkt hat, könnte das hier ebenfalls massive Auswirkungen auf Lieferfähigkeit und Preise haben.
Daher meine Einschätzung: Wir sollten den Koalitionsvertrag ernst nehmen, müssen sicherlich auch in Zukunft weiter an die Klimaziele und das Paris-Abkommen erinnern. Was die zukünftige Marktentwicklung angeht, könnten aber andere Faktoren weitaus wichtiger werden.