
Eine Messebesuch von Jörg Sutter
Nach meiner bisherigen Vorstellung war das ganz einfach: Man hat ein Grundstück, kauft sich ein Tiny House, lässt das kurz zusammennageln und kann dann günstig darin wohnen. Am vergangenen Wochenende fand in Karlsruhe die Messe „New Housing“ mit dem Schwerpunkt Tiny Houses statt – diese Veranstaltung hat mich eines Besseren belehrt. Leider ist auch hier die Umsetzung bei weitem nicht so einfach, wie man sich das landläufig vorstellt.
Wohnraum ist bekanntermaßen knapp, einige Lösungsvorschläge werden dazu aktuell diskutiert, z.B. auch bei einer Bundestags-Veranstaltung, die kürzlich stattgefunden hat. Kleine Häuser, so genannte „Tiny Houses“ sind sowohl ökologisch als auch vom Platzbedarf hier eine echte Lösungsmöglichkeit. Und es sei gleich betont: Die Anbieter solcher Tiny-Häuser legen allesamt Wert auf Holzbau, Naturmaterialien und energiesparende Produktion. An die Ökologie kann also ein „Haken“ gemacht werden.
Der Bedarf ist jedenfalls keine Nische: Nach Angaben des statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2022 41% der deutschen Haushalte Ein-Personen-Haushalte. Damit ist der Anteil heute doppelt so hoch wie noch 1950 (damals 19%).
Doch es gibt jede Menge Schwierigkeiten. Die gehen los mit dem Grundstück und der Genehmigung: Auch ein kleines Tiny House braucht eine normale Baugenehmigung. Es kann auch nur auf ein erschlossenes Grundstück aufgebaut werden, das mit Wasser, Abwasser und Stromanschluss ausgestattet ist. Auch wer hier ein passendes Grundstück parat hat: Bei der Genehmigung lauert die nächste Hürde. Die Stadt Karlsruhe genehmigt bis auf Ausnahmefälle keine Tiny Houses im Stadtgebiet. Die Lokalpolitik will möglichst viel Wohnraum auf den wenigen verfügbaren und bebaubaren Flächen realisieren. Auf der Messe war daher ein Stand mit einer regionalen „Flächenbörse“ rege umlagert. In der Nähe der Stadt hat ein Campingplatz-Betreiber ein Nachbargrundstück gemeinsam mit seiner Kommune entwickelt, dort entsteht seit Monaten eine richtige Tiny-House-Siedlung. Weil es anderswo so schwer ist, ist dort das Interesse groß.
Technisch/baulich folgt die nächste Herausforderung: Das Tiny House kann entweder auf einem Anhänger stehen bleiben (mit dann notwendigem Treppenaufgang), oder es muss ein stabiles Fundament errichtet werden, das individuell auf das Häuschen und die Bodenverhältnisse vor Ort ausgelegt werden muss. Eine Einzelplanung ist hier unerlässlich, inklusive einer Statikprüfung des Bodens, um eine passende Verankerung auswählen zu können.
Besucherschlangen auf dem Weg nach drinnen
Viele Messebesucher in Karlsruhe standen Schlange vor den Häuschen, um sie auch von innen anschauen zu können und die Größe und Aufteilung der Räume auf sich wirken lassen zu können. Die interessante Erkenntnis für mich: Fast alle Anbieter bieten keine Standard-Häuschen, sondern viele Aus- und Anbaumöglichkeiten an; teilweise werden die Tiny Houses auch individuell geplant und erstellt. Das macht sehr wohl von den Kundenbedürfnissen her Sinn, mal wegen der Lage der Terrasse, die an das Haus eingehängt wird, mal auch von der Nutzbarkeit, wenn hier spezielle Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer vorhanden sind.
Diese Modulbauweise und die Individualität haben dann aber auch ihren Preis: Die günstigsten Tiny-Häuser waren mit rund 40.000 Euro ausgezeichnet, bei der großen Luxus-Variante können es dann auch gerne 120.000 Euro werden, natürlich bei größerem Platzangebot. Dazu kommen Kosten für Grundstück, Transport und übliche Nebenkosten. Das Finanzierungsbeispiel eines Anbieters auf der Messe kam in Summe dann für ein 80 qm-Tiny House auf Gesamtkosten von 379.000 Euro. Sicher, das ist nicht vergleichbar mit Kosten eines gleich großen Einfamilienhauses bei Stuttgart, die heute eher beim Doppelten liegen. Aber ein Schnäppchen sind solche Gebäude dann eben auch nicht. Dafür ist meist ein größeres Technikpaket bereits enthalten: Induktionsherd, Backofen, Klimaanlage, Kühl-Gefrierschrank und Spülmaschine sind hier bei vielen Anbietern Standard.
Um die Kosten zu senken, war auch ein Aussteller vertreten, der ein Tiny House als Bausatz anbietet. Wer also seit Zuhause selbst errichten kann und will, kann hier natürlich noch Geld sparen. Der Kunde erhält dann eine Video-Anleitung zum Aufbau. Witzigerweise wird von diesem Anbieter auch ein Montageservice angeboten – weil die Kunden sich das dann doch nicht selbst zutrauen?
Über den Energieverbrauch lässt sich den Unterlagen der Anbieter wenig entnehmen. Zwar sind teils Energieklassen (analog Fertighäusern) angegeben, konkrete Heizenergieverbräuche pro Quadratmeter sucht man aber vergebens. Hintergrund kann die Modulbauweise sein und die starke Abhängigkeit vom Nutzerverhalten, die hier sich noch stärker differiert als bei normalen Gebäuden. die kleine PV-Anlage und eine Klimaanlage bzw. Wärmepumpe dagegen sind bei vielen Anbietern bereits als fester Bestandteil im Angebot enthalten.
Ergänzender Hinweis
Die „New Housing“, hat dieses Tiny House Thema aufgegriffen, die DGS hat die Veranstaltung als Medienpartner unterstützt, unsere Zeitschrift SONNENENERGIE lag dort zum Mitnehmen aus.
Wer sich vom umfangreichen Angebot der Tiny-House-Branche und den Umsetzungsaspekten selbst überzeugen möchte: Die nächste „New Housing“ findet vom 27. bis 29. Juni 2025 wieder in Karlsruhe (Messegelände) statt.
Infos hier: www.new-housing.de