
Eine Analyse von Jörg Sutter
Das Solarpaket I wurde am Freitag vergangener Woche, also am 26. April 2024 von Bundestag und Bundesrat mehrheitlich beschlossen. Doch Stand heute, also eine Woche später, ist es noch nicht in Kraft: Es fehlen noch einige Formalien. Hier folgen außerdem ergänzend mehrere Details, die bisher keine Beachtung in der öffentlichen Darstellung der Änderungen des EEG gefunden haben.
Solarpaket noch nicht in Kraft
Nachdem es der Bundesrat erst am 24.4. mittags durchgewunken hat und sich Bundespräsident Steinmeier im Montag und Dienstag in Tschechien befand, ist das Solarpaket I zwar nun endlich auf der Zielgeraden. Doch ab wann genau die Neuregelungen gelten, ist derzeit noch nicht klar. Vor Inkrafttreten muss zunächst der Bundespräsident unterzeichnen, dann wird das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Im Gesetzentwurf (genauer: im „Änderungsantrag zum Gesetzentwurf“), über den im Bundestag und Bundesrat abgestimmt wurde, wurden die Daten noch nicht eingetragen, hier steht an einigen Stellen dafür „[einsetzen: Tag des Inkrafttretens .. dieses Gesetzes]“. Erst in der veröffentlichten Version des Bundesgesetzblattes werden diese Daten verbindlich ablesbar sein.
Stimmen für das Solarpaket I
Das Solarpaket I wurde am 26.4. im Bundestag verabschiedet, von den Parlamentariern stimmten 384 für das Gesetzpaket, 200 enthielten sich und 79 stimmten dagegen. 71 Abgeordnete haben nicht mitgestimmt. Wie die einzelnen Abgeordneten gestimmt haben, lässt sich im Abstimmungsprotokoll nachschauen. Wäre es nicht eine gute Idee: Wenn Ihr Abgeordneter oder Ihre Abgeordnete bei den Gegenstimmen ist – sprechen Sie ihn doch beim nächsten Wahlkampfstand in der Fußgängerzone einfach einmal darauf an.
Nach Parteien kurz zusammengefasst: Die SPD und die Grünen haben geschlossen mit Ja gestimmt, auf die CDU entfallen 173 Enthaltungen und 6 Nein-Stimmen, die unter anderem vom Elektromeister Jens Koeppen, Dr. Peter Ramsauer und Rechtsanwalt Hans-Jürgen Thies stammen. Von der FDP haben alle anwesenden Abgeordneten zugestimmt – außer der Unternehmer Michael Kruse, der sich enthalten hat. Das ist insofern bemerkenswert, weil auf dem direkt am Folgetag nach der Bundestagsentscheidung gestartete Bundesparteitag der FDP ein 12-Punkte-Papier beschlossen wurde, das die Abschaffung der Förderung von Erneuerbaren Energie fordert. Die vollständige Ablehnung bei der Abstimmung im Bundestag durch die so genannte AfD ist keine Überraschung, hat diese „Partei“ doch in die gleiche Sitzung einen Antrag zum Ausbau der Kernenergie eingebracht. Die Linke hat sich vollständig enthalten, beim Bündnis BSW waren nur 4 der 10 Abgeordneten bei der Abstimmung dabei, diese waren alle gegen das Solarpaket I.

Gültigkeit: was genau und ab wann?
Nehmen wir einmal an, das Solarpaket I würde zum 15.5. in Kraft treten. Sind dann alle Neuregelungen auch sofort gültig und anwendbar? Dazu ein klares Nein! Einige Beispiele dazu:
- Die Anwendung der 800 Watt-Grenze für die Wechselrichterleistung bei Steckersolar bleibt eigentlich noch durch die aktuelle VDE-Norm 4105 verwehrt. Jedoch: Die 600 Watt der VDE 4105 beziehen sich genau betrachtet auf die Netzbetreiber-Anmeldung des Steckersolargerätes, die ja mit dem Solarpaket I komplett entfällt. Eventuell läuft damit die VDE 4105 „ins Leere“ und mangels aktueller Normanpassung könnten die 800 Watt dann doch gleich angewendet werden?
- § 100 des EEG 2023 weist zudem in (1) 1a den Altanlagen die Gültigkeit der Vorgängerregelungen (also vor Inkrafttreten von Solarpaket I) zu, außer in einigen Fällen, zum Beispiel:
- bei Anschlussbegehren, die nach dem 31.12.2022 gestellt wurden, gilt §8 (neu);
- also quasi rückwirkend auch für „alte“ Anfragen, die schon vor Verabschiedung des Solarpaket I gestellt wurden.
- Die Absenkung der Grenze der Ausschreibungsteilnahme bei Dachanlagen von 1 MWp auf 750 kWp wird auch zeitverzögert umgesetzt: Hier gilt noch für Inbetriebnahmen der kommenden 12 Monate die bisherige Grenze. Hintergrund sind sicherlich in Arbeit befindliche Projekte, die sich schon in der Umsetzung befinden.
- Die beschleunigte 4-Wochen-Frist bei Netzanfragen nach § 8 Absatz 6 bzw. 6a gilt für Netzanfragen, die nach dem 30.6.2024 gestellt werden. Hintergrund: Die aktuelle Grenze wurde von 10 kWp im Rahmen der EU-Energienotgesetze auf 50 kWp bis 30.6.24 sowieso angehoben, erst danach greifen die aktuell beschlossenen 30 kWp.
- im Ausschreibebereich wird die Anwendung von § 37 und § 38 um drei Monate „geschoben“. § 48 Absatz 6, die neue Biodiversitätskriterien für Ausschreibe-Freiflächen definiert, wird erst für Inbetriebnahmen gültig, die 18 Monate nach Verabschiedung des Solarpaket I stattfinden.
- auch die Erhöhung des Vergütungssatzes für Anlagen >40 kWp wird erst zu einem späteren Zeitpunkt verlässlich nutzbar sein: Davor steht noch eine beihilferechtliche Prüfung der EU.
Vergütung für Flugwindanlagen
Flugwindanlagen sind Anlagen, deren erzeugter und eingespeister Strom durch das Solarpaket I nun auch vergütet wird. Es sind Windkraftanlagen, die nicht statisch aufgebaut sind, sondern quasi große Flugdrachen, die an einem Stahlseil an eine Bodenstation gekoppelt ist. Eine gute Beschreibung der Technik findet sich bei Wikipedia. Diese Kraftwerke können die hohen und stetigen Windkräfte in deutlich größeren Höhen ernten als heutige Windkraftanlagen mit Turmbauweise. Dadurch können sie eine recht stetige Energieproduktion und eine hohe Effizienz erbringen. Als Beispiel nennen wir den deutschen Hersteller Enerkite. Dessen Flugdrachen sollen in Höhen zwischen 200 und 300 Metern agieren. Doch ist ein Aufwand dafür nötig: Sollte so ein Kraftwerk installiert werden, muss drumherum eine Flugverbotszone eingerichtet werden, damit es nicht mit Luftfahrzeugen kollidiert – im wahrsten Sinne des Wortes.
Aktuell sind diese Kraftwerke noch nicht „von der Stange“ erhältlich. Sie könnten aber die Chance bieten, die erneuerbaren Energien mit einer weiteren Technik „abzurunden“, die auch eher keinen Widerstand aus der Bevölkerung zu befürchten ist.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
Wer im EEG nach der neuen „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ sucht, die von Peter Nümann in den DGS-News der letzten Woche angesprochen wurde, der wird nicht sofort fündig. Denn dieses neue Umsetzungsmodell ist ohne staatliche Förderung konzipiert, ein Unterschied zum bisherigen Mieterstrom. Daher ist dieses neue Modell auch nicht im Fördergesetz EEG verankert, sondern im Energiewirtschaftsgesetz, dem EnWG. Die „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ ist jetzt aber auch beschlossen worden, die Änderung des EnWG war ebenfalls im Solarpaket I enthalten. Dazu wird es in einem der kommenden Newsletter detailliertere Informationen geben.