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Matthias Hüttmann

Neue Regierung – Neue Verunsicherung

Ein Kommentar von Matthias Hüttmann

Screenshot der CDU-Wahlkampagne 2025 [Quelle: CDU]

Am 28. März wurden an dieser Stelle die Ambitionen der neuen Regierungskoalition bereits schon einmal kommentiert. Im Artikel „Alte Schulden – Neue Schulden“ haben wir uns dabei vor allem mit dem Einigungspapiers der Koalitionsarbeitsgruppe Klima und Energie beschäftigt. Die Arbeitsgruppen, im Zuge der Koalitionsverhandlungen gebildet, waren letztendlich die Basis für den nun ausgehandelten Koalitionsvertrag (KV) der kommenden KleiKo aus CDU/CSU/SPD. Bei dem Vergleich des Einigungspapiers mit dem KV, wird schnell klar, dass es sich dabei um eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner handelt. Einiges, was noch in den Einigungspapieren stand, ist mittlerweile verschwunden. Diese Arbeitsgrundlage der künftigen Regierung bleibt daher an vielen Stellen wage, manches deutet gar auf Rückschritte hin.

Und über allem konkretem schwebt das Damoklesschwert der klammen Mittel. Wörtlich steht im KV: „Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“ So vermeiden die Koalitionäre sich die Blöße zu geben und nicht noch mehr Wahlversprechen wie schon im Zuge der Koalitionsverhandlungen, siehe etwa Schuldenbremse, brechen zu müssen. Das ist vielleicht auch einer der Unterschiede zur vorherigen Ampel. Der KV der damaligen „Fortschrittskoalition“ war voller Tatendrang, mutig wurden überfällige Reformen aufgegriffen. Jedoch bremste das Finanzministerium die ehrgeizigen Vorhaben schnell aus, wodurch aus Arbeitseifer schnell Gezeter wurde. Die kommende Regierung dagegen nimmt sich schon gleich zu Beginn deutlich weniger vor und übergibt die Schlüsselrolle von Anfang an den Kassenwart ab. Denn, das ist ja die Crux: Trotz gigantischer Sondervermögen ist eigentlich nur wenig Spielgeld vorhanden, mit dem man glänzen kann.

Heizung und Demokratie

Zurück zum KV: Eines der großen Aufregerthemen gegen Ende der Ampelkoalition war das sogenannte Heizungsgesetz. Dieses Gesetz, welches ja bekanntlich gar nicht gibt, gab oder auch geben sollte, soll nun vom kommenden Bundesministerium Wirtschaft und Energiei abgeschafft werden. Zitat aus dem KV: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen. Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden.“ Es ist müßig zu reflektieren, wie es zu dieser, dem Trumpismus angelehnte, Desinformationskampagne der GEG-Novelle kam. Dass es dieser irreführende Begriff, siehe auch Heizhammer oder Heizverbot, nun tatsächlich in den KV geschafft hat, ist daher verstörend. Und auch, dass Friedrich Merz erst die Tage in der ARD von einem „Wärmepumpenzwang“ sprach, lässt Experten irritiert zurück. Denn im besagten novellierten Gebäudeenergiegesetz (GEG) gab es nie einen solchen Zwang, es lässt in § 71 (Abs. 2) explizit Wahlfreiheit bei der Heiztechnik. Zitat aus dem GEG: “Der Gebäudeeigentümer kann frei wählen, mit welcher Heizungsanlage die Anforderungen nach Absatz 1 erfüllt werden.“ Die Anforderung an neu errichtete Heizungsanlagen bestand darin, das ist der Knackpunkt, dass mindestens 65 Prozent der von ihnen bereitgestellten Wärme mit Erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugt hätten werden müssen.

Genau hieran hat sich die fossile Lobby gestört, sie war letztendlich der Treiber der Kampagne, die gar in Kundgebungen mit fragwürdigen Initiatoren gipfelte. Bei einer dieser Veranstaltungen wütete etwa der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, sinnfrei schrie er ins Mikrofon: „Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss.“

Screenshot von der Demo „Stoppt die Heizungsideologie“. Am 10. Juni 2023 sprachen auf dem Volksfestplatz in Erding u.a. Markus Söder (auf dem Bild), Hubert Aiwanger und Günther Felßner vor rund 13.000 Teilnehmer:innen. [Quelle: YouTube]
Weiterer Screenshot von der Demo „Stoppt die Heizungsideologie“. [Quelle: YouTube]

Neues GEG?

Nur was ist jetzt eigentlich zu erwarten, welche Maßnahmen könnten folgen? Experten aus der Energieberatung gehen davon aus, dass es wahrscheinlich zu einer Art Kompromiss kommen könnte, bei dem die Förderkulisse beibehalten wird (SPD) und im GEG die Absätze a bis h im Paragraphen 71 gestrichen werden (CDU). Das ist jedoch reine Spekulation, das GEG komplett abzuschaffen aber sicherlich keine Option, auch wenn der DVGWii nur wenige Stunden nach der Pressekonferenz zum KV schon jubiliert hatte und von einer angekündigten Abschaffung des GEG schrieb.

Eine solche Abschaffung wäre im Übrigen auch mit dem Europarecht kaum vereinbar. Statt der 65 %-Hürde kommt nun ein neuer Begriff ins Spiel, Zitat: „Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden.“ Das ist jetzt noch ein recht theoretischer Ansatz. Und egal, wie man es ausformulieren wird: Hält man, wie verlautbart an dem Preispfad für den CO2-Preis fest, so werden sich fossile Energien in den kommenden Jahren weiter rasch verteuern. Mit einer Heizung auf Basis Erneuerbarer Energien sind Eigentümer hier auf der sicheren Seite. Diese Wahrheit wird aber leider nur selten ausgesprochen.

Lässt man mal diese unsägliche falsche Bezeichnung von Gesetzen beiseite, wird diese nebulöse Formulierung eines sicher nicht erreichen: die Verunsicherung bei Verbrauchern, Handwerkern und Industrie zu beseitigen. Ganz im Gegenteil, Planungssicherheit ist nicht in Sicht. Das geordnete Zeitabläufe für GEG-Novellen im Normalfall nach dem Erlangen der Arbeitsfähigkeit in den eventuell neu zugeschnittenen Ministerien wohl sehr viele Monate erfordern werden, lässt den Sanierungsmarkt weiter erkalten. Und nicht zu vergessen, das GEG benötigt auch grünes Licht aus Brüssel, sprich muss mit dem europäischen Green Deal vereinbar sein. Aber immerhin, eine Stellgröße hat es NICHT aus dem Arbeitspapier in den KV geschafft, Zitat: „Wir werden ein neues Recht schaffen, das einen Paradigmenwechsel weg von einer kurzfristigen Energieeffizienzbetrachtung beim Einzelgebäude hin zu einer langfristigen Betrachtung der Emissionseffizienz vollzieht.“

Was genau unter Emissionseffizienz zu verstehen gewesen wäre, darüber lässt sich trefflich streiten. Emissionseffizienz statt Energieeffizienz, das ist laut der Bundesstiftung Baukultur wahrscheinlich so etwas wie eine ökobilanzielle Betrachtung. Die Deutsche Umwelthilfe sah das im Übrigen sehr kritisch, wenn sie schreibt: „Die Emissionseffizienz gibt an, wie viele Treibhausgasemissionen entstehen, während die Energieeffizienz beschreibt, wie viel Energie ein System für eine bestimmte Leistung benötigt. Ein Gesetz, das sich nur auf Emissionseffizienz fokussiere, könnte dazu führen, dass zwar die CO₂-Emissionen gesenkt werden, aber der absolute Energieverbrauch hoch bleibe. Dadurch würden Einsparpotenziale nicht ausgeschöpft, was langfristig zu hohen Energiekosten und einer Abhängigkeit von Energieimporten führen kann.“ Aber dazu kam es ja nicht.

Wenn es denn unbedingt nötig sein muss, eine neue rechtliche Regelung im GEG zu erstellen, dann müsste dies sehr schnell erfolgen, um Klimaschutz und Energieunabhängigkeit nicht zu verschleppen. Nur klare Vorgaben können das mutwillig beschädigte Vertrauen wiederherstellen. Und um es mal so zu formulieren: Die Politik muss auch Vertrauen in die Bevölkerung ausstrahlen und dazu gehört auch dem Missbrauch von Begriffen etwas entgegenzustellen. Die Demokratie zurückholen ist nicht notwendig, vielmehr gilt es sie zu verteidigen.

Weitere Klimaschulden anhäufen

Wie im Artikel „Alte Schulden – Neue Schulden“ bereits geschrieben, verkommt der Klimaschutz immer mehr zu einem „Nice-To-Have“, einem Luxusgut, degradiert und damit alles andere als ein „Must-Have.“ Denn bereits die geltenden Vorgaben der Vorgängerregierung genügen nicht dazu, die Klimaziele zu erreichen. Ein durchaus wichtiger Satz hat sich dennoch in den KV eingeschlichen, Zitat: „wir setzen das Pariser Klimaabkommen um und verfolgen das Ziel der Klimaneutralität 2045 in Deutschland mit einem Ansatz, der Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit zusammenbringt und auf Innovationen setzt. Wir wollen Industrieland bleiben und klimaneutral werden“. Ein anderer Satz ist dagegen rausgeflogen, Zitat: „Nur wenn die Wirtschaft wieder spürbar wächst, können Unternehmen in Deutschland in neue Klimaschutztechnologien investieren.“ Dafür ist jetzt zu lesen, dass man zahlreiche neue Gaskraftwerke errichtet möchte und die Abwanderung energieintensiver Unternehmen aufgrund „unterschiedlicher Klimaschutzstandards (Carbon Leakage)“ verhindert werden soll.

Apropos Schulden: Erreicht man das Ziel der Klimaneutralität nicht – dazu bedarf es große Anstrengungen, die in dem KV so nicht zu erkennen sind – dann häuft man neue Klimaschulden auf. Dies ist durchaus zu befürchten, denn auch wenn Maßnahmen nicht komplett zurückgedreht werden, gibt es umgekehrt kaum Stellen im Koalitionsvertrag, die explizit auf mehr Ambition im Klimaschutz schließen lassen. Dazu ein kleiner Blick zurück: Deutschland hat bezogen auf die Industrialisierung mit seinen historischen Emissionen – 1750 bis 2018 war Deutschland jedoch für rund 5,7 Prozent aller weltweiten Emissionen verantwortlich – mehr als Afrika und Südamerika zusammen – enorme Klimaschuld angehäuft, dies wird jedoch nicht im CO2-Budget von Deutschland berücksichtigt. Der Finanzierungsvorbehalt ist auch für diese Notwendigkeiten ein großes Problem.

Positives?

Man könnte, genau genommen müsste man das auch, an dieser Stelle noch sehr viel anmerken, denn da Papier geduldig ist, kann man 146 Seiten sehr viel schreiben, was zu kritisieren und relativieren ist. Aber wir möchten mit ein paar positiven Dingen schließen: So etwa, dass ein Klimageld, eines der Lieblingsprojekte von Robert Habeck, welches aus finanziellen Gründen leider nie umgesetzt werden konnte, nicht komplett illusorisch ist. Es könnte helfen, unbeliebte Maßnahmen zur Beschleunigung notwendiger Transformationen durchzusetzen. Daran ist auch gedacht, wenn im KV steht: „Die CO2-Einnahmen geben wir an die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zurück. Dazu werden wir auch unbürokratische und sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen beim Wohnen und bei der Mobilität auf den Weg bringen, damit niemand überfordert wird“. Auch sehr positiv und wichtig: „Um den Bau von Nah- und Fernwärmenetzen zu unterstützen, wird die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) gesetzlich geregelt und aufgestockt.“


i Das wahrscheinlich am häufigsten umgebaute Ministerium in Deutschland ist und bleibt das Wirtschaftsministerium. In der KleiKo hat es zwar ganz offiziell das Thema Energie mit im Namen, der Klimaschutz wurde jedoch wieder zum Umweltministerium verfrachtet. Aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz wird das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Der vormals im Umweltministerium verortete Verbraucherschutz findet sich künftig im Ministerium der Justiz wieder, das dann als Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz fingieren wird.

ii Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., www.dvgw.de