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Heinz Wraneschitz

Nachhaltigkeitsmesse Biofach – und was das Oktoberfest damit zu tun hat

Werbung für mehr Bio auf dem Oktoberfest. [Foto: Heinz Wraneschitz]

Ein Bericht von Heinz Wraneschitz

Dass das Münchner Oktoberfest jeden Herbst nicht nur ein Publikumsmagnet ist, weiß wohl jede:r: Die „Wies`n“ wird Jahr für Jahr von mehr als 7 Millionen Menschen förmlich überrannt. Dass die Biertempel nebst den daraus entstehenden „Vergnügungen“ sogar als Forschungsobjekte taugen, darüber haben sogar die DGS-News vor fast zwei Jahren berichtet.

Ebenfalls einmal im Jahr, aber immer im Winter, öffnet am Nürnberger Messegelände die „Biofach“ ihre Pforten: Bei dieser Weltleitschau für biologische Speisewaren steht weniger der Alkoholspiegel als die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln im Mittelpunkt. Vergangene Woche war es wieder so weit: 2.300 ausstellende Unternehmen und Organisationen aus 94 Ländern waren diesmal vertreten. Und gar aus 140 Ländern waren die etwa 35.000 Besucher:innen zur Biofach in die Frankenmetropole gekommen.

Bio ist heute schon massentauglich, aber…
Wer diese Zahlen mit denen des Oktoberfests vergleicht, könnte meinen: Ökologie, Nachhaltigkeit und vor allem Bio-Lebensmittel dürften bei einem solchen Massenbetrieb wie der Münchner „Wies`n“ kaum etwas zu suchen zu haben. Doch weit gefehlt. Das war diesmal sogar auf der Biofach zu erfahren. Konkret wurde dort das Projekt „Mehr Bio auf der Wies’n“ vorgestellt.

Selbst Johanna Zierl, die Leiterin des Projekts, war augenscheinlich überrascht, dass die Nachhaltigkeit dort schon eingezogen ist – wenn auch oftmals versteckt. Sie habe letzten Herbst bei ihren Morgenrundgängen, die sie vor allem hinter die Kulissen führte, „einige Überraschungen erlebt. Bis zu 13 Prozent der verkauften Ochsen sind Bio – aber das steht auf keiner Karte.“ Ob sich diese Zurückhaltung womöglich darauf begründet, dass sonst der Absatz der Ochsenbratereien zurückgehen könnte; Motto „Bio, das ess ich nicht“; darüber hat Zierl nichts gesagt. Aber das könnte schon vermuten, wer sich die von Wiesenwirte-Sprecher Peter Inselkammer vorgetragenen Fakten verinnerlicht: „Es gibt immer noch skeptische Wirte. Aber heute schon sind 20 Prozent der Gerichte auf den Karten Bio. Und 9,2 Prozent der verkauften Gerichte sind das auch.“ Im Vergleich zum Angebot also nicht einmal die Hälfte.

Langer Atem gefragt
Kein Wunder, dass die bei Bioland e.V. angestellte Johanna Zierl „auf die Ausdauer der Wirte“ hofft, um sowohl bei Angebotsbreite als auch beim Verzehr von Bio-Waren Sprünge nach oben zu erreichen. Bayerns Bioland-Geschäftsführer Thomas Lang sieht jedenfalls die Wies`n als „ideale Plattform und eine gewaltige Chance, den ökologischen Landbau auch auf großen Veranstaltungen sichtbar zu machen und nachhaltig zu verankern“. Zumal – wie in einem Kongress-Vortrag zu erfahren war – „organischer Anbau die Verschmutzung von Grundwasser vermeidet“, ein weltweit „durch konventionelle Landwirtschaft steigender Druck“.

Warum also muss das Bio-Wiesn-Projekt überhaupt noch vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanziell gefördert werden? Bei den riesigen Verbrauchsmengen gehe es um Lösungen „von der Zertifizierung bis zur Speisekarte selbst“, beschrieb Projektleiterin Zierl die Aufgaben.

Kleine Küche – große Wirkung?
Wiesenwirtin Katharina Inselkammer ergänzte: „Es ist nicht unbedingt immer der fehlende Wille: Oft scheitert es einfach am Platz für die eigene Bioküche im Zelt.“ Und dann gehe es ja auch noch um die Herkunft der Produkte: „Die Regionalität steht bei mir an erster Stelle, auch bei Bio: ein Produkt aus fremden Ländern hat einfach eine schlechte Ökobilanz.“

Die Zusammenarbeit und Vernetzung von Produzenten, Händlern und Wiesen-Wirt:innen, aber auch der Küchenleitungen fördern; die Verfügbarkeit und Logistik von Bioprodukten optimieren und so das Interesse an Bio-Produkten nach und nach steigern: das sind die Hauptziele. Außerdem solle die Wies`n „als Vorbild für andere Volksfeste dienen, um auch dort den Bio-Anteil zu erhöhen“, so Zierl. Das Projekt läuft bis Juli 2027. Dann soll klar sein, wohin der Hase – oder besser: der Bio-Wiesen-Ochse – läuft.

Auslöser für das Projekt war übrigens die massive Kritik, die der Münchner Ernährungsrat e.V. im Jahre 2022 als „Hendlsauerei“ öffentlich gemacht hat. „Die Kritik war überspitzt. Aber wir haben eine vernünftige Gesprächsebene gefunden“, freut sich Wiesenwirte-Sprecher Peter Inselkammer über das Projekt. In dem arbeiten die Öko-Verbände Bioland, Naturland sowie die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern LVÖ mit der Vereinigung der Münchner Wiesn-Wirte und einem Logistik-Dienstleister zusammen.

Nischenprodukte liegen im Trend
Doch Bio wird bis heute nicht primär für Massenpublikum produziert: Das beweisen auf der Biofach zahlreiche kleine Anbieter, auch solche aus Bayern. Ein Beispiel: die Nürnberger „Dattel-Schokoladen-Manufaktur Odilia“. Die produziert ihre veganen Bio-Erzeugnisse ohne Zuckerzusatz und verkauft sie beileibe nicht nur im Laden am Hauptmarkt der Frankenmetropole: 2017 gegründet, sind die Produkte inzwischen bei Bio-Handelsketten und online zu haben. Hinter der Idee „Dattelsüße“ stecken die Eheleute Saeda Abualhawa aus Jordanien und Saeed Altayeb aus Syrien, die sich in Nürnberg mit ihren drei Kindern nach eigenem Bekunden sehr wohl fühlen.

Mit Bio gegen Rechtsextremismus
Bemerkenswert aber auch: An einigen Stellen der Biofach wurde eindeutige Kritik an der aktuell grassierenden Rechtslastigkeit der Politik in diesem unserem Lande (kurz iduL, erfunden von Helmut Kohl) geübt. Mit Sprüchen wie „Frizzante statt Faschismus“ oder „Rosé statt Remigration“ setzte beispielsweise der mit „Sekko Sozialamt“ überschriebene Stand des Ludwigsfelder Öko-Getränkeanbieters Gutbubbel GmbH auch optisch klare, eindeutige Zeichen „für weniger Nazis“.