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Heinz Wraneschitz

Messe PCIM: Die sichtbare Elektrifizierung der Wirtschaft

Dieselbe Anwendung, weniger Verlustwärme: Mit GaN (rechts) 52 Grad Celsius, mit MOSFET (links) 80 Grad. Foto: Heinz Wraneschitz

Ein Bericht von Heinz Wraneschitz

Die Messe PCIM am Nürnberger Messegelände hat auch heuer wieder nur drei Tage gedauert. Deshalb käme auch unser Hinweis an Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger zu spät, sich dort mal nur zehn Minuten umzuschauen. Doch hätte er es getan, müsste er – wie wohl fast alle anderen Besucher:innen auch – bemerkt haben: Von Schiffs-, Luft- und Autoverkehr bis zu breitgefächerten Anwendungsbereichen für große Maschinen und kleine Hilfsgeräte – alles wird elektrifiziert. Von Wasserstoff oder Brennstoffzellen war dort – wenn überhaupt – nur versteckt die Rede.

Dass nicht einmal mehr die Fossil-Industrie 100-prozentig auf E-Fuels oder Wasserstoff setzt, konnte erkennen, wer sich den Elektro-Formel-I-Renner von Jaguar im Eingangsbereich etwas genauer ansah: An dem prangen Sponsor-Schilder eines weltbekannten Ölkonzerns – und zwar nicht nur an den Frontspoilern. Elektrifizierung also selbst bei der ölverkaufenden Wirtschaft.

Ein ganz wichtiger Baustein bei jeglicher Elektrifizierung ist der Halbleiter. Ob Solarzelle oder Mikrochip: überall wird solches Material benötigt. Halbleiter spielen bekannterweise bei Computerbauelementen eine wichtige Rolle – aber genauso wesentlich sind sie für die Leistungselektronik. Diese Sparte der Elektroindustrie ist in vielen Bereichen daheim: Bei drehzahlveränderbaren Antrieben von Motoren, bei Ladegeräten für Mobiltelefone, Elektroautos, Zahnbürsten oder Computer. Aber Halbleiter-Bauelemente sorgen auch dafür, dass immer mehr Gleichstrom aus Photovoltaik-Modulen ins Haus- oder öffentliche Stromnetz eingespeist werden kann. Denn für die Umwandlung sind so genannte Wechselrichter notwendig – mit Leistungshalbleitern.

Genau in diesem Sektor ist – auf der Messe deutlich sichtbar – eine Revolution im Gange: „GaN“ stand in großen Buchstaben über vielen Ständen. GaN: Das Kürzel steht für Gallium-Nitrid. Die Verluste zum Beispiel in Wechselrichtern, welche aus solarem Gleich- netzkonformen Wechsel- oder Drehstrom formen, lassen sich mit Bauelementen aus diesem Halbleitermaterial nochmals wesentlich reduzieren. GaN wird dabei statt wie bisher üblich Silizium oder Silizium-Carbid (SiC) für die Transistoren oder anderen verwendeten Leistungshalbleiter-Bauelemente genutzt.

Mit GaN sinken die Verluste
Nicht nur in der Energiewirtschaft sind Stromverluste auch finanzielle Verluste: In einem elektronischen Gerät bedeutet „Verlust“, dass die Elektronik warm wird. Und diese Wärme muss abgeführt werden, mit Kühlkörpern, oft sogar ergänzt durch elektromotorische Belüftung oder Wasserkühlung. Am Stand von EPC, einem US-Konzern, der bei seinen Bauteilen inzwischen massiv auf GaN-Halbleiter setzt, konnte man das Ergebnis live in Zahlen sehen: Bei genau derselben Nutzanwendung wurde das GaN-Bauteil nur 53 Grad Celsius warm, jenes mit dem Halbleitermaterial SiC aber 80°C.

Stefan Werkstetter ist der „Vice President of Sales, EMEA“, der also nicht nur für Deutschland, sondern den gesamten Wirtschaftsraum Naher Osten, Europa und Afrika zuständige Verkaufsleiter von EPC mit Home Office in Ingolstadt. Nach seiner Aussage stellt EPC „nur GaN-Bauteile“ her. Damit unterscheidet sich das Unternehmen von den meisten anderen Anbietern, denn fast alle anderen, die GaN im Portfolio haben, produzieren auch Chips auf Siliziumbasis. Die werden auch auf absehbare Zeit notwendig bleiben. Denn für viele Leistungselektronik-Anwendungen ist die so genannte „Sperrspannung“, die GaN-Chips aushalten, zu gering. Besonders eine Entwicklung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF aus Freiburg macht hier Hoffnung, dass sich das bald ändern wird: Am IAF werden „neuartige Technologien für laterale und vertikale GaN-Transistoren mit Sperrspannungen über 1200 V entwickelt“. Die sollen dann laut IAF-Presseinfo helfen, „Anwendungen wie Elektromobilität, Energiewirtschaft oder elektronische Klimatisierungstechnologien flächendeckend alltagstauglich zu machen“.

Doch wer wie dieser Reporter den in besagter Info beinhalteten Formulierung vertraute, „das Fraunhofer IAF präsentiert die Vorteile und den aktuellen Entwicklungsstand dieser GaN-Technologien auf der PCIM Europe 2024 vom 11. bis 13. Juni 2024 in Nürnberg“, wurde enttäuscht: Am Stand war lediglich ein Schaubild zu sehen. Im Nachhinein ist zu erfahren: „Kollege Richard Reiner hat das 1200-V-Thema auf der PCIM in zwei Vorträgen vorgestellt.“ Nun aber sei er auf Reisen und erst später nicht für Nachfragen erreichbar, wie die Pressestelle des IAF bedauernd mitteilt.

Elektrisch fliegen dank GaN?
Dass aber solche hoch-spannenden GaN-Transistoren gerade für die Elektrifizierung der Mobilität dringend notwendig sind, bestätigten auf der Messe eine ganze Reihe Fachleute. Beispiel Fraunhofer-Institut IISB aus Franken. Dort werden Strom-Umrichter für die Luftfahrt hergestellt. Hier könnten die GaN-Bauteile besonders hilfreich sein: „Jeder Prozentpunkt Energieeffizienz ist wichtig“, heißt es am Stand Denn beim IISB sieht man „Elektrifizierung als die einzige Lösung“ für die Luftfahrt. Doch nicht nur Fraunhofer-Institute aus der ganzen Bundesrepublik scheinen sich dieses Themas angenommen zu haben: Beim IMAB, dem Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen der TU Braunschweig, ist ein Flugzeugmotor der Blickfang am Stand. Natürlich brauche es von diesen 350-Kilowatt-Antrieben mehrere pro Flugzeug, wird klargestellt. Doch in den Wechselrichtern stecken aktuell noch SiC-Bauelemente.

Dass aber schon heute verfügbare GaN-Transistoren für die Energiewende genutzt werden, beweist Solarnative aus Kriftel bei Frankfurt/Main: Im nach Firmenangaben „kleinsten und schnellsten PV-Mikrowechselrichter der Welt, dem Solarnative Power Stick, sorgen GaN-Transistoren für die Umformung des Solargleich- und netzkonformen Wechselstrom. Hergestellt werden die dort entwickelten Geräte übrigens auch in Deutschland. Und woher stammen diese Halbleiter? Von EPC.

Noch aber sind vor allem SiC-Bauelemente in der E-Mobilität im Einsatz. Denn diese Module seien bislang „sehr zuverlässig, erprobt in Flugzeugen oder Traktoren“, wie zu hören ist. Cissoid ist ein bekannter Hersteller dafür. Die Belgier wiederum werben auf einem Formel-4-Elektrorenner der ERA Racing School für ihre Halbleiter-Produkte.

PS: Noch ein Tipp für Wasserstoff- und E-Fuel-Fans wie Herrn Aiwanger und Co: Die PCIM 2025 läuft vom 6. bis 8. Mai am Nürnberger Messegelände. Bitte zehn Minuten freihalten.