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Götz Warnke

Mein energiepolitischer Aschermittwoch

Eine Glosse wohlfeiler Narreteien, von Götz Warnke

Das Aschenkreuz am Aschermittwoch
[Quelle: G. Warnke]

Ja, richtig, der diesjährige Aschermittwoch ist schon eine Woche her. Aber auch in diesem Jahre gibt es so viel Asche zu verteilen, dass der Ausbruch des Vesuvs von 79 n. Chr. nicht ausreichen würde, sie zu erzeugen. Und bei so manchem reicht die verdiente Asche nicht nur für das Kreuz auf der Stirn, sondern um die entsprechende Person für Jahrhunderte zu verschütten. Dabei sollten die gewesenen Narren des Jahres sichtbar bleiben – denn schließlich taugt jede/r etwas, und sei es als schlechtes Beispiel. Angesichts der Menge der Asche und der Menge der Narren muss dieser energiepolitische Aschermittwoch immer rudimentär bleiben: unvollständig, unverhältnismäßig, unausgewogen, ungerecht – alle Menschen, die wie die Sozialpolitiker immer das Wort „gerecht“ im Munde führen, dürfen schon mal ihr Tränentüchlein zücken.

Doch nun in medias res:

Klimakrise? Gibt es nicht!

Auch wenn die Jahre immer heißer, die Unwetter häufiger und Skipisten immer weniger werden, glauben einige Menschen ganz, ganz sicher zu wissen: eine Klimakrise gibt es nicht, bzw. die menschenverursachte Klimakrise ist ein Schwindel. Und vor allen Dingen: „Ich muss bei mir nichts ändern!“ Dabei wissen selbst die „Nieten in Nadelstreifen“ in den Großunternehmen: wenn es 5 Jahre hintereinander zunehmend stärkere Verluste für das Unternehmen gibt, herrscht Handlungsbedarf. Für solche Erkenntnis bedarf es weder der göttlichen Eingebung noch der höheren Philosophie – das ist einfache Statistik. Und wer als Manager das nicht sogleich kapiert, muss gehen.

Doch wie sollen solche Klimakrisen-Leugner, Problem-Ignoranten und „Du-darfst“-Fans („Ich will so bleiben wie ich bin!“ „Du darfst!“) gehen, und vor allem: wohin? Immerhin bezeichnen entsprechende Vertreter die Arbeiten der Klimawisssenschaften wie Meteorologie, Atmosphärenphysik, Ozeanographie etc. als „Klimairrsinn“ oder „Klima-Hysterie“. Dabei beruhen alle diese spezialisierten Wissenschaften auf den klassischen Naturwissenschaften Physik, Chemie und Biologie.

Ebenfalls auf den klassischen Naturwissenschaften Physik, Chemie und Biologie beruht die Medizin. Warum also nicht die Klimakrisen-Leugner nachdrücklich auffordern, endlich mal konsequent zu sein, und künftig keine Ärzte mehr aufzusuchen, also die bösen Naturwissenschaften grundsätzlich zu meiden: keine Ultraschall-Untersuchung mehr (Physik!), keine Harnsäure-Untersuchungen mehr (Chemie!), keine Biopsien (Biologie!) mehr. Innerhalb weniger Jahre würde sich so das Problem mit Klimakrisen-Leugnung personell umfassend und sehr friedhofsaffin erledigen. Geht doch!

Rückkehr zur Atomkraft

Ja, er lebt immer noch, der romantische Traum von der Atomkraft, von einer Energiewelt, in der der Strom einfach aus der Steckdose kam, in der man nicht über die Energieversorgung nachdenken musste, in der keine sich drehenden Windräder und glitzernden Solaranlagen das Auge störten – und vor allem die Nachbarn nicht frech ihren eigenen Strom machten, mit dem sie sich jetzt aus dem kuscheligen Energiekollektiv verabschieden.

Nun weiß jeder, der es wissen will, dass die Uranvorräte der Welt sehr beschränkt sind; die Reserven reichen noch 26 Jahre, die Ressourcen etwas länger – wenn nicht zu viele Kernkraftwerke gebaut werden. Uran ist der erste Energierohstoff, der der Menschheit praktisch ausgehen wird, auch weil das Militär die letzten Reserven beansprucht. Heute wollen selbst die ehemaligen AKW-Betreiber von dem strahlenden Elend nichts mehr wissen. Doch das stört die Atomkraft-Träumer nicht. Irgendwie ähneln sie den Betrunkenen in einer nächtlichen Kneipe vor Ladenschluss, in der der Wirt bereits die letzte Runde Bier angesagt und verteilt hat: sie lamentieren, und hoffen dabei auf eine weitere Runde Dröhnstoff! Leute, der Karneval ist vorbei!

Die dräuende Dunkelflaute

Ja, es gibt sie durchaus, die Dunkelflaute, in der weder die Sonne scheint noch der Wind weht. Allerdings sind diese Flauten auch ziemlich selten; nach einer Analyse des Deutschen Wetterdienstes traten sie durchschnittlich zwischen 1995 und 2015 großflächig nur zweimal pro Jahr über 48 Stunden auf, also insgesamt an vier Tagen. Doch das hindert eher masochistisch orientierte Fossil-Fans nicht daran, sich ausgiebig über die dunklen Zeiten des kommenden Zeitalters der Erneuerbaren Energien zu erregen.

Nun wollen wir ja niemandem seinen masochistischen Spaßgewinn verderben, aber es gehört zur Chronistenpflicht, doch auf einige Tatsachen hinzuweisen: Zum einen gibt es neben Sonne und Wind grundlastfähige Energielieferanten, die sich erheblich ausbauen ließen: Wasserkraft, Biogas aus Klärwerken und Deponien, Tiefengeothermie-Kraftwerke, Müllverbrennung von Müllbriketts und Altholz. Zum anderen gibt es Pump-, H2– und Batteriespeicher (z.b. in Millionen E-Autos), die netzdienlich ausgerichtet werden können. Wer sich also weiter gruseln möchte, suche sich besser ein anderes Thema – die Klimakatastrophe zum Beispiel, denn die ist wirklich gruselig.

Die EU will uns unsere Verbrenner wegnehmen!

„Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“ hieß 1972 ein SPD-Bundestagswahlplakat von Klaus Staeck. Das Plakat war hundsgemein – schließlich dürfte jedem villenbesitzenden Arbeiter auf dem morgendlichen Arbeitsweg vor Schreck das Wurstbrot im Hals stecken geblieben sein. Heute versuchen es andere Schlaumeier wieder mit der gleichen Masche: „Die EU will euch eure Verbrenner-Autos wegnehmen“, oder kurz und twitter-kompatibel: „Verbrenner-Verbot“ oder „Verbrenner-Aus“. Das ist nicht ungeschickt; schließlich dürfte es vermutlich mehr Eigner von Fossil-Fahrzeugen als villenbesitzende Arbeiter geben. Andererseits schrammt es – wohl ein wenig interessengeleitet – an der Wirklichkeit vorbei. Denn die EU verbietet ab 2035 nur die Erstzulassung von Verbrennern, also von Neuwagen. Jeder, der vor 2035 einen Verbrenner zugelassen hat, kann ihn weiter nutzen oder weiter verkaufen. Eigentlich müsste es also „Verbrenner-Neuwagen-Zulassungs-Aus“ heißen. Aber das war den interessierten Kreisen wohl etwas zu unaufgeregt.

Solarwunder“ zum wundern

Solaranlagen sind in aller Munde – leider auch in denen der Werbe-Wichtel. Und so lernt man beim Besuch von Webseiten unfreiwillig ein ganzes Heer von werblichen Geistesgrößen kennen, die sich wichtigtuerisch in Szene setzen oder einem vorgeblich gute Ratschläge geben bzw. vor teuren Fehlern warnen wollen: Solar-Musks (!), Solar-Schwindel-Warner, deutsche Erfinder von Solarwunderboxen; Tüftler, die ein Solarwunder erschaffen haben; Profis mit düsteren Prognosen, ob das Ende der privaten Solaranlage gekommen sei – und vieles mehr, was das gemeine Werberhirn meint, den unbedarften Lesern glaubhaft machen zu können. Dazu kommen häufig mit drei Pünktchen endende Teilsätze, die offensichtlich neugierig machen sollen, wie etwa „Tüftler bricht Schweigen: Hausbesitzer sollten kein Solar kaufen, sondern …“, und das zusammen mit den unterschiedlichsten Tüftler-Gesichtern.

Nun weiß jeder auch nur halbwegs informierte Solarinteressent, dass man nicht „Solar kauft“, sondern eine PV-, PVT- oder ST-Anlage – die Tüftler sollten also besser den Mund halten und weiter tüfteln, statt ihr Schweigen zu brechen. Und bei Firmen, die nicht einmal einen ordentlichen, abgeschlossenen deutschen Satz hinbekommen, habe ich auch kein Vertrauen, dass sie eine PV-Anlage ordentlich installieren.