
Ein Kommentar von Jörg Sutter
Zuerst Nürnberg, dann das Saarland und später auch weitere Regionen in Deutschland – Starkregen und Unwetter haben in den letzten Tagen zu großen Schäden geführt. Das ist extrem bedauerlich – und ich habe selbstverständlich Mitleid mit den Betroffenen.
Trotzdem: Ich werde auch ein wenig wütend. Zum Beispiel, wenn die Presse zuerst über die Details der Überschwemmungen berichtet, jetzt über die Aufräumarbeiten – und dabei kein Wort über mögliche Ursachen oder den Zusammenhang mit dem Klimaschutz verliert.
Oder wenn sich Medien in diesem Zusammenhang beim saarländischen Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz erkundigen und das Amt dann zitiert wird mit „es handelt sich um ein Hochwasserereignis, wie es alle 20 bis 50 Jahre stattfindet“. Bei dieser Aussage fehlt etwas Wichtiges: ein „bisher“ oder „in der Vergangenheit“. Warum ist die klare Aussage der Klimawissenschaftler, dass es in Deutschland zu stärkeren Extremwetterereignissen kommt, noch nicht einmal zu den Behörden, geschweige denn zur Presse durchgedrungen? Diese Extremwetterereignisse werden unsere Zukunft prägen – nicht ab dem Jahr 2050 oder später, sondern ab heute, ganz konkret.
Und: Hatte nicht auch die Politik, mindestens in Rheinland-Pfalz und NRW, nach dem Extremhochwasser im Ahrtal mit vielen Toten Besserung gelobt? Engagierte Solarmitstreiter haben kurz nach dem Schaden begonnen, über die Initiative „Ahrtal wird SolAhrtal“ ein Wiederaufbaukonzept mit Erneuerbaren Energien zu erstellen.
Drei Jahre (!) sind seither vergangen und wie ist der aktuelle Stand? Es wird mehr oder weniger fleißig wiederaufgebaut, aber nicht mit Erneuerbaren Energien. Das Konzept der Initiative ist so nicht förderfähig, da nur der Wiederaufbau mit der damaligen Technik, aber keine neuen Konzeptideen mit Wiederaufbau-Fördermitteln unterstützt werden können. Also schwimmen auch beim nächsten Hochwasser wieder Öltanks davon und verseuchen die Orte – denn auf Erneuerbare Energien und Solartechnik konnte man ja in der ach so fortschrittlichen Zeit nicht umstellen. Auf dickere Abwasserleitungen und Gründächer vermutlich leider auch nicht. Tja – Pech. Wir machen gerne die gleichen Fehler nochmal. Und ich garantiere: Das nächste Hochwasser wartet nicht 20 oder 50 Jahre. Stand heute (Dienstag, 21.05.): „Für den heutigen Dienstag sind vor allem für die Nordhälfte von Rheinland-Pfalz ab dem frühen Nachmittag kräftige Gewitter mit teils unwetterartigem Starkregen vorhergesagt. Für die betroffenen Gebiete ist weiterhin eine Vorwarnung des DWD aktiv“. Jetzt 3 Jahre statt 20 bis 50?
Und wie läuft es jetzt im Saarland? Genauso?
Dazu darf ich die saarländischen Ministerpräsidentin Anke Reelinger zitieren, sie war am 17. Mai gemeinsam mit Olaf Scholz im Flutgebiet und meinte dazu: „Wir müssen feststellen, dass dies die schwierigste Lage ist seit dem Jahrhunderthochwasser vor 30 Jahren“. Wir kann man diesen Widerspruch in einen Satz packen und das (wohl) nicht bemerken? Oder ist womöglich der Besuch von Olaf Scholz schon Widerspruch genug? Er hatte am Tag zuvor mit seiner Bundesregierung das deutsche Klimaschutzgesetz abgeschwächt, um dann am nächsten Tag hochbesorgt ins Krisengebiet zu fahren. Nicht nur für Luisa Neubauer ist das kritikwürdig.
Um es einmal provokant zu formulieren: In welcher Wucht muss ein Unwetter zu uns kommen, damit es
- in Zusammenhang mit dem Klimawandel gestellt wird und nicht in einen statistischen Wetterzusammenhang mit einem abwinkenden „kann ja mal passieren“
- danach dann auch ein Wiederaufbau erfolgt, der heute bekannte Aspekte (von Regenrückhaltung bis erneuerbare Heizungen und Stromversorgung) berücksichtigt und endlich akzeptiert, dass der Klimawandel bereits bei uns stattfindet?
Nur zur Erinnerung: Das vergangene Jahr 2023 war das wärmste Jahr der Beginn der Messaufzeichnungen im Jahr 1881. Die Niederschläge lagen schon 2023 bei 120% des üblichen. Das kann doch alles nicht einfach übergangen und zur Tagesordnung zurückgekehrt werden. Weder bundes- noch lokalpolitisch und auch nicht in den vielen Gegenden, die aktuell (glücklicherweise noch) nicht betroffen sind – aber vielleicht in Kürze auch betroffen sein werden.