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Götz Warnke

Kriegstechnik und Klimafolgen, Teil 4

Eine Analyse von Götz Warnke

US-Flugzeugträger Nimitz vor San Diego – solche schwimmenden Städte mit ihrem Energieverbrauch können nicht dekarbonisiert, aber bald überflüssig werden

Im Zuge der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 wurden viele Dinge angegangen, geordnet und geregelt: von nationalen Umsetzungsplänen, von den Auswirkungen auf Landwirtschaft, Finanzsysteme, den Luftverkehr national und international, etc. etc. Doch die ganze Zeit stand ein großer „Elefant im Raum“, den niemand ernsthaft anging: das Militär. Und so ist das Militär nicht in das weltweite Abkommen zur Begrenzung von CO2-Emissionen und Klimakrise eingebunden. Dabei gehen Schätzungen von zwischen 3,3 und 7 Prozent der globalen Emissionen als vom Militär verursacht aus. Auch wenn es heute noch als unmöglich und absurd klingt – wir werden künftig um eine „Roadmap klimaneutrales Militär“ nicht umhinkommen. Dazu soll dieser Artikel nur ein allererster „Aufschlag“ sein.

Durch das Wasser

Im Wasser gab es immer schon die größten Militärfahrzeuge, was natürlich an der hohen Auftriebskraft des Mediums liegt. Weniger bewusst und eher überraschend dürfte allgemein sein, dass es hier auch erste Nutzungen der Erneuerbaren Energien und Voraussetzungen für eine entsprechende Umstellung dazu gab: Bekannt sind die segelnden Linienschiffe vom 17. bis 19. Jahrhundert; das letzte segelnde Kampfschiff – Kaper- und Schulschiffe sowie Kriegsfischkutter unter Segeln gab es auch später – war die britische HMS Warrior, die 1860 vom Stapel lief und 1883 außer Dienst gestellt wurde. 1888 hatte die spanische Marine mit der Peral das erste einsatzfähige, (rein-)elektrische Tauchboot für Kurzstrecken. In den 1890er Jahren entwickelten Franzosen die ersten verbrenner-elektrischen U-Boote, bei deren Überwasserfahrt die Verbrennungsmotoren die Batterien für die Unterwasserfahrt aufluden. In den 1930er Jahren kamen die ersten elektrischen Torpedos auf, die anders als ihre mit Druckluft betriebenen Pendants keine sichtbare Blasenspur an der Wasseroberfläche hinterließen.

Heute hat die aktuelle deutsche U-Boot-Klasse 212 A Brennstoffzellen, (noch) einen Blei-Säure-Akku und für die Überwasserfahrt sowie als Generator einen Dieselmotor. Mit besseren Lithium-Ionen-Akkus und vergrößerten Brennstoffzellen könnte für bestimmte Einsatzbereiche wohl ganz auf den Dieselmotor verzichtet werden. Die Batterien in U-Booten waren während des ganzen 20. Jahrhunderts die größten Speicher für elektrische Energie, was sich erst im 21. Jahrhundert geändert hat. Nicht geändert hat sich, dass diese Unterwasserfahrzeuge hinsichtlich ihres Antriebs die am weitesten elektrifizierten großen Marinefahrzeuge sind.

Was hingegen die Dekarbonisierung von Marine-Großeinheiten anbelangt, so ist man wie auch in der Zivilschifffahrt in den vergangenen 80 Jahren seit dem 2. Weltkrieg nicht wesentlich weitergekommen. Zwar wurden die Schiffsdiesel effizienter und für übergroße Schiffe wie die US-Flugzeugträger wurden auch Atomreaktoren entwickelt (für U-Boote gab es sie seit 1954), aber die den Treibstoffe blieben fossil-klimaschädlich: Marinediesel beim Militär, das noch dreckigere Schweröl in der Handelsschifffahrt.

Dabei gibt es zumindest für die Handelsschifffahrt eine nachhaltige, klimafreundliche Antriebsalternative, die gänzlich frei von Energiekosten ist: Schiffe mit Windantrieb, auch Windschiffe genannt. Ob ein Wind-Hauptantrieb z.B. mit Teleskop-Segelprofilen wie hier auch für größere Militärschiffe in Frage kommt, ist zumindest eine Überlegung wert. Denn die Epoche der Nach-Segelschiffzeit, als grau gestrichene Panzerkreuzer und Schlachtschiffe tief liegend und möglichst unsichtbar hinter dem Horizont lauerten, ist inzwischen auch vorbei: Radar, Horchbojen, Satelliten und Langstreckendrohnen lassen kein großes und wichtiges Kriegsschiff mehr unbeobachtet auf den Weltmeeren operieren; der Ausguck mit Fernglas ist da überflüssig. Und so ließen sich auch größere Militärschiffe mit Teleskop-Segelprofilen für die Marschfahrt ausstatten. Da die Teleskop-Segmente weitgehend aus Kunststoff bestehen können, dürfte sich die Radarabstrahlung kaum erhöhen.

Große Flugzeugträger („Supercarrier“) wie die atomare Nimitz-Klasse oder die neue Gerald-R-Ford-Klasse mit ihren Maschinenanlagen von rund 200 MW Leistung lassen sich nicht auf Erneuerbare Energien umstellen. Dafür ist auch ihr interner Energiehunger mit den Aufzügen, Lüftungsanlagen, elektromagnetischen Katapulten, Küchen etc. einfach zu groß. Ob dauerhaft eine ausreichende Versorgung mit E-Fuels sichergestellt werden könnte, darf bezweifelt werden (und wird es auch von den Militärs). Brennstoffzellen-Antriebe mit Wasserstoff stehen zwar kurz vor der Einführung auf großen Schiffen, sind aber mit ihren 6 MW leistungsmäßig weit entfernt von den 200 MW der Großträger. Zudem benötigt der Wasserstoff zu großvolumige Tanks.

Supercarrier gleich welcher Nationalität sind eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen und Energie. Drei Entwicklungen könnten sie allerdings künftig zunehmend überflüssig machen: Drohnen, die die ganze Logistik für die Piloten einsparen. Elektromagnetische Katapulte (s.o.), die lange Startbahnen erübrigen. Senkrechtstarter-Flugzeuge brauchen wenig Platz und können Start- und Landebahnen überflüssig machen.
Was die Drohnen anbelangt, so hat der Iran mit der Shahid Bahman Bagheri den ersten Drohnenträger überhaupt in Betrieb genommen, ein umgebauter Containerfrachter und damit zumindest aus Perspektive der Ressourcennutzung sehr sparsam.

Bei kleineren Marine-Fahrzeugen hat sich sehr lange der klimafreundliche Werkstoff Holz gehalten. Das betrifft sowohl Minensucher/Minenabwehrfahrzeuge als auch Schnellboote/Motortorpedoboote, und zwar sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien oder den USA. Während bei den Minensuchern die nichtmagnetische Eigenschaft des Holzes im Vordergrund stand, waren es bei den Schnellbooten die Kostengünstigkeit und Reparaturfreundlichkeit. Insbesondere günstiger Stahl und Kunststoffe haben nach 1950 die Holznutzung hier zunehmend verdrängt; steigende Preise für „grünen Stahl“ könnten zu einer klimafreundlichen Renaissance der Holznutzung in Form moderner Materialien (Flüssigholz/Liquid Wood) und Fertigungstechniken (3D-Druck) führen.

Wie in anderen Bereichen, so hat sich auch auf dem Wasser die Drohnentechnik als Gamechanger erwiesen. Insbesondere die ukrainischen Seedrohnen wie die größere Sea Baby und die Magura V5 haben die überlegene russische Flotte aus dem Westteil des Schwarzen Meeres vertrieben. Beides sind Einweg- bzw. Kamikaze-Drohnen mit Reichweiten von 800-1.000 km. Dass es beim ukrainischen Militär Überlegungen gibt, diese Seedrohnen auch als Mehrweg-Fahrzeuge einzusetzen, zeigt der Abschuss von russischen Helikoptern mittels Flugabwehrraketen durch eine Magura V5, wobei die Seedrohne unbeschädigt blieb. Dagegen sind die 15 m lange, türkische Marlin Sida und die taiwanesische, 8,6 m lange und 3,7 m breite Endeavor Manta stets bewaffnete Mehrweg-Seedrohnen. Zum Vergleich: die von U-Booten verschossenen Torpedos haben eine Länge von ca. 7,20 m, einen Durchmesser von 0,533 m und eine Reichweite von rund 50 km.
Alle die o.a. Seewasser-Drohnen, die heute aus faserverstärkten Kunststoffen oder Schiffbaustahl gefertigt werden, ließen sich aber ebenso aus erneuerbaren Materialien wie Holzstoffen fertigen, wie die o.a. Motortorpedoboote zeigen. Für die hohen Geschwindigkeiten (bis zu 90 km/h) und großen Reichweiten der o.a. Einweg-Seedrohnen gibt es bisher allerdings noch keine adäquaten Batteriespeicher.

Die Dezentralisierung und Miniaturisierung auch bei militärischen Wasserfahrzeugen ermöglicht auch in einem anderen Bereich Ressourcen-Einsparungen: bei den Hafen- und Versorgungseinrichtungen. Große Kai- und Werftanlagen, weitläufige Lagerhallen etc., die Ziele von gegnerischen Angriffen werden können, werden nicht mehr in dem gleichen Umfang benötigt wie bisher. Bei den kleinen Seedrohnen, aber auch bei den kommenden autonomen Klein-U-Booten wäre zu überlegen, ob man diese Seefahrzeuge nicht auf autonomen, großen und geländegängigen Transportfahrzeugen ins Wasser bringen lässt. Vorläufer wie das auf Panzerketten selbst ins Meer fahrende Kleinst-U-Boot Seeteufel gibt es ja schon seit Jahrzehnten.

Fazit

Auch bei der Waffentechnik gibt es ein erhebliches Einsparpotential bei Energie- und Rohstoffen. Vieles, was heute konstruktionstechnisch als alternativlos und damit als notwendig angesehen wird, ist als Konstruktionstradition schlicht eine Gewohnheit. Aber solche Konstruktionsgewohnheiten müssen angesichts der Bedrohung durch die Klimakrise zunehmend hinterfragtwerden.

Dabei ist die Beachtung der Aspekte von Klimaschutz, nachhaltiger Energie- und Ressourcennutzung kein gefühlvolles Gutmenschen-Getanze, sondern nüchterne Anerkennung bestehender Realitäten. Die sich ausweitende Klimakrise wird zu zunehmenden, auch militärisch ausgetragenen Konflikten um Ressourcen führen. Wer dabei als staatlicher Akteur in der Lage ist, mit weniger Verbrauch an – den häufig importierten – Energien und Rohstoffen gleiche oder noch bessere Ergebnisse zu erzielen, ist, auch militärisch, grundsätzlich im Vorteil. Die Dekarbonisierungs-Strategien in verschiedenen Bereichen des westlichen Militärs zeigen, dass dort zumindest einige Vertreter die Zusammenhänge begriffen haben.