Eine Analyse von Götz Warnke
Im Zuge der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 wurden viele Dinge angegangen, geordnet und geregelt: von nationalen Umsetzungsplänen, von den Auswirkungen auf Landwirtschaft, Finanzsysteme, den Luftverkehr national und international, etc. etc. Doch die ganze Zeit stand ein großer „Elefant im Raum“, den niemand ernsthaft anging: das Militär. Und so ist das Militär auch nicht in das weltweite Abkommen zur Begrenzung der CO2-Emissionen und der Klimakrise eingebunden.

[Quelle: G. Warnke]
Dabei sind, auch jenseits der extrem klimabelastenden Kriege, die dort entstehenden Emissionen nicht gering. Selbst wenn genaue Zahlen über die Klimagas-Emissionen der weltweiten Streitkräfte kaum zu erhalten sind: Es gibt verschiedene Schätzungen, die sich zwischen 3,3 und 7 Prozent der globalen Emissionen bewegen. Scientists4Future Österreich geht auf Grund wissenschaftlicher Analysen von einem mittleren Wert von 5,5 Prozent aus. Wäre das Militär ein Land, so käme es bei den Klimagas-Emissionen nach China, den USA und Indien auf den 4. Rang – noch vor Russland, Brasilien, Indonesien und Japan, und weit vor der weltweiten Schifffahrt und dem internationalen Luftverkehr. Wenn in 20 Jahren die Klimakipppunkte eintreten, und wir uns nicht überrascht und mit großen Augen fragen wollen, „Wie konnte das nur geschehen?“, müssen wir uns mit diesem Thema intensiv befassen! Auch wenn es heute noch als unmöglich und absurd klingt – wir werden künftig um eine „Roadmap klimaneutrales Militär“ nicht umhin kommen. Dazu soll dieser Artikel nur ein allererster „Aufschlag“ sein.
Warum die Emissionen des Militärs so nebulös sind, hat verschiedene Gründe: Zum einen wollen sich Militärs, Rüstungsfirmen und Politiker hier nicht in die Karten schauen lassen, um Feinden, Konkurrenten und politischen Gegnern keine gegen sie verwertbaren Informationen zu geben. Zum anderen hatte die Friedensbewegung weitgehend die militärfachlichen Niederungen gemieden und sich auf pauschale Forderungen wie „Abrüstung jetzt“ oder „Frieden schaffen ohne Waffen“ beschränkt. Dies hat es natürlich dem militärisch-industriellen Komplex leicht gemacht, sich dem kritischen Blick der Öffentlichkeit zu entziehen. Ganz anders als z.B. bei der Atomkraft, wo sich eine breite zivile Fachkompetenz herausbildete.
Daher sollen im Folgenden verschiedene, technische Aspekte betrachtet werden, die zu den Klimagasemissionen des Militärs beitragen, aber bisher nicht oder kaum im Bewusstsein der Öffentlichkeit sind. Doch vorab muss für den Leser klar sein, worum es hier geht bzw. worum es hier nicht geht:
Es geht nicht um die Frage, ob der Mensch ein kriegerisches Wesen ist, oder ob ein ewiger Frieden möglich ist. Fürs erstere spricht die Menschheitsgeschichte – selbst aus dem angeblich matriarchal-friedlichen Neolithikum finden sich jede Menge eingeschlagener Schädel –, die Vielzahl der Genozide und die Notwendigkeit, auch in zivilen Staaten den privaten Waffenbesitz zu begrenzen. Für letzteres spricht die Jahrtausende alte menschliche Sehnsucht nach Frieden – von den „Schwertern zu Pflugscharen“ beim Propheten Jesaja über Kants „Zum ewigen Frieden“ bis zu John Lennons „Imagine“. Doch diese anthropologisch-philosophische Frage kann und soll hier natürlich nicht geklärt werden.
Es geht hier auch nicht um die Frage, ob militärische Gewalt überhaupt legitim oder illegitim ist. Dies ist eine Völkerrechtsfrage, und die ist juristisch bereits geklärt: durch die UN-Charta in den Artikeln 1 und 2 sowie im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Danach sind Angriffskriege verboten – das Recht auf eine Kriegführung zur Verteidigung in Anlehnung an das private Notwehrrecht allerdings nicht.
Und es geht hier nicht um die Frage, ob und wie sehr Kriege klimaschädlich sind. Kriege sind zweifellos sehr klimaschädlich. Aber ihre Klimaschädlichkeit lässt sich solide immer erst im Nachhinein berechnen: sie hängt von den eingesetzten Waffen, den Zerstörungen und der Dauer des Konflikts ab. Hätte beispielsweise die russische Luftlandeoperation auf den Flughafen Kiew-Hostomel geklappt, und wäre Kiew wenige Tage später gefallen, sähen die Klimalasten des Ukrainekrieges ganz anders aus als heute.
Worum geht es also in diesem Artikel? Es geht um den Klima-Fußabdruck, also das GWP von Waffensystemen, welches auch in Friedenszeiten ganz ohne eine andere aktuelle Konfliktpartei erheblichen Einfluss hat. Dieser Fußabdruck resultiert zum einen aus dem Verbrauch an Rohstoffen, die für das Waffensystem und seine Instandhaltung eingesetzt werden. Zum anderen resultiert er aus dem Energieverbrauch des Waffensystems. Dieser Energieverbrauch betrifft natürlich in erster Linie aktive, mobile Waffensysteme. Daher sollen einfachere, inaktive und eher defensive Systeme wie Bunker, Minen, Höckerlinien, Spanische Reiter, Rommelspargel, Stacheldrahtverhaue, Panzergräben, Fallen etc. hier keine Rolle spielen, auch wenn sie allein durch ihre Anzahl und Inanspruchnahme von Ressourcen durchaus Einfluss auf die Klimalasten haben.
Ebenfalls nicht behandelt werden hier die notwendigen Vor- oder Nachketten der Waffensysteme wie Rohstoffgewinnung mit mehr oder weniger klimafreundlichen sowie umwelt-unfreundlichen und damit womöglich klimalastigen Folgen, oder Entsorgungsfragen von Munitionsresten wie z.B. Uranmunition. Diese Punkte gehören zwar generell zur Roadmap hinzu, können aber nicht im begrenzten Rahmen dieses Artikels abgehandelt werden.
Ein Waffensystem besteht aus Start-/Abwurf-Einrichtung, Antrieb, Steuerung, Stabilisierung, Wirkungsmaterial. Um das an einem sehr einfachen Beispiel zu verdeutlichen, sei hier ein Bumerang gewählt: Starteinrichtung ist ein Mensch, Antrieb ist die Armkraft, Steuerung durch die Hand des Werfers, Stabilisierung durch Aerodynamik/Form, Wirkung durch die beschleunigte Masse. In diesem Fall sind alle Energieformen etc. biologisch erneuerbar, und das Material selbst ist als Naturstoff (Holz) ebenfalls regenerativ. Der Bumerang kann sogar mehrfach verwendet werden.
Sehen wir uns nun die verschiedenen Waffensystem-Kategorien an: es gibt Einmalwaffen und wiederverwendbare Waffen/Mehrfach-Waffen. Erstere stehen für Energie- und Ressourcenverbrauch im Einsatz, letztere primär für Energieverbrauch bei der Verwendung.
Dabei ist zu beachten, dass die meisten größeren Waffensysteme schon aus Kostengründen zur Kategorie wiederverwendbar gehören, während kleine Waffen im System meist nicht wiederverwendbar, also single use sind. Doch keine Regeln ohne Ausnahmen: Torpedos sowie Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen sind zwar teure Systeme, aber dennoch Einmalsysteme.
Einen gewissen Anhaltspunkt für den Energie- und Ressourcenverbrauch eines Waffensystems können die jeweiligen Kosten liefern. So hat David Irving* – in den 1960er und 1970er Jahren ein durchaus interessanter Historiker, bevor er nach rechts in den braunen Sumpf abbog – einst die Kosten verschiedener Waffensysteme eingeordnet, die rechnerisch im 2. Weltkrieg anfielen, um eine Tonne Sprengstoff auf dem Gegner abzuladen. Dabei kommt er für eine V1 auf 1.500 Reichsmark, für eine V2 auf 144.000 Reichsmark; ein britischer Lancester-Bomber, der bei durchschnittlicher Einsatzdauer über 90 Tonnen Bomben warf, kostete inkl. Treibstoff, Wartung und Pilotenausbildung pro Bombentonne umgerechnet rund 45.000 Reichsmark. Hier zeigt sich das Problem einer gewissen Uneindeutigkeit eines reinen Kostenvergleichs: die günstigste und die teuerste Waffe in diesem Beispiel sind Einmalsysteme; die mittel-teure Waffe ist ein Mehrfachsystem.
Allerdings lassen sich selbst Preise bei gleichen Waffensystemen wie z.B. Panzer nicht eins zu eins auf den Energie- und Ressourcenverbrauch des jeweiligen Objekts übertragen. Viele Kosten hängen, neben den Fertigungsstandorten, von den Fertigungsmethoden ab oder von den Produktionszahlen, auf die sich die Fixkosten wie u.a. der Konstruktionsaufwendungen verteilen.
Doch bevor wir einzelne Teilbereiche betrachten, eine Klarstellung vorab: dies ist keine militärwissenschaftliche Abhandlung. Insofern wird sich dieser mehrteilige Beitrag nicht nach konventionellen militärischen Klassifizierungen richten. Denn ob z.B. eine F 15 für die Luftwaffe, auf dem Flugzeugträger für die Marine oder für die US-Nationalgarde fliegt, ist für ihren Ressourcen- und Energieverbrauch unerheblich.
Nächste Woche Teil 2
* David Irving: Die Geheimwaffen des Dritten Reiches, Gütersloh 1968, S. 327 ff.