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Heinz Wraneschitz

Klima- und Umweltpolitik – eine Frage des Vertrauens

Ein Situationsbericht von Heinz Wraneschitz

Auszüge aus Seite 1 des Verhandlungspapiers der AG 15 Klima und Energie [Quelle: Fragdenstaat.de]

Wer dieser Tage irgendein Medium an-sieht, -hört, -liest, und nur ein bisschen Klimabewusstsein in sich trägt, kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus! Da wollen genau diejenigen Parteien, die im Jahre 2020 das Gebäude-Energiegesetz GEG als damals noch „Große Koalition“ beschlossen haben, das später durch die Ampel verwässerte und als „Habecks Heizungsgesetz“ beschimpfte Vorhaben offensichtlich wieder in die Tonne treten.

„Auch bei Handwerk und Industrie dürfte die Kehrtwende für Unruhe sorgen. Planungssicherheit sieht anders aus. Die Wärmepumpenabsätze waren zuletzt schon überaus enttäuschend. Stadtwerke und Co. hatten vorsichtig den Abschied von den Gasnetzen eingeläutet“, wagt dazu sogar die in den USA beheimatete Beratungsfirma Arthur D. Little zu kritisieren.

Doch nicht nur in Handwerk und Industrie: Auch bei vielen Menschen herrscht Verwirrung, Frust und Ärger. „Das Vertrauen in die Klimapolitik ist in bürgerlichen Milieus äußerst gering“: Das ist der Kernsatz einer brandaktuellen repräsentativen Untersuchung. Im Auftrag des gemeinnützigen Vereins Heimatwurzeln e.V. hat das auf Milieu-Studien spezialisierte Sinus-Institut dafür im Herbst 2024, also vor der jüngsten Wahl, per „Stichprobe der deutschen Wohnbevölkerung aus 2.008 Personen“ eine „standardisierte Online-Befragung“ durchgeführt.

Ein besonders erschreckendes Ergebnis dieser Sinus-Studie: „Nur drei Prozent im Nostalgisch-Bürgerlichen Milieu (ältere Mitte) und sechs Prozent in der Adaptiv-Pragmatischen Mitte (moderne Mitte) äußern Vertrauen in das Vorgehen der Politik beim Thema Klima- und Umweltschutz“, ist in der Studie zu lesen. Und – was jeden Klimaleugner freuen wird: auch in den Milieus der Mitte haben die Lebenshaltungskosten eine höhere Relevanz als die ökologische Frage. Umwelt und Klimawandel zählen lediglich 27 Prozent der besagten „Älteren Mitte“ zu den „fünf wichtigsten Themen, um die sich die Politik in Deutschland kümmern sollte“. Ganz vorne stattdessen: die Lebenshaltungskosten.

Die Studie liefert auch eine mögliche Erklärung, warum ausgerechnet die – zumindest in Teilen gesichert rechtsextreme – AfD seit Jahren so großen Zuspruch erfährt: „78 Prozent der Befragten im Nostalgisch-Bürgerlichen Milieu glauben, dass Politikern das Volk gleichgültig ist.“

Klimaschutz gefordert, der den Bürger:innen nützt – auch finanziell

Heimatwurzeln-Geschäftsführer Florian Wagner fordert deshalb „bürgerlichen Klimaschutz, der von den Menschen vor Ort ausgeht und auf direkten Nutzen statt auf Verbote setzt“. Wind- oder Solarparks in Bürger- oder Energiegenossenschafts-Händen; einfache Mieterstrommodelle und ähnliches – Projekte also, die auch die DGS immer wieder fordert und unterstützt. Doch solches gelingt bislang nicht flächendeckend. Und so sieht Wagner „die Politik vor der zentralen Herausforderung, die gestiegenen Lebenshaltungskosten und den Klimaschutz zusammenzubringen. Nur so kann es gelingen, die gesellschaftliche Polarisierung zu überwinden und Klimaschutz mehrheitsfähig zu machen.“

Doch stattdessen lautet die Erkenntnis von Lara Louisa Siever: „Diese Koalitionsverhandlungen offenbaren das, was wir schon lange anprangern: Eine Verzerrung des politischen Wettbewerbs durch die Lobbymacht und den Geldbeutel Einzelner.“ So beurteilt die Mitarbeiterin von abgeordnetenwatch.de, was momentan zwischen CDu/CSU und SPD besprochen wird. Gerade viele als „Linksgrünversifft“ Beschimpfte machen diese Lobbymacht oft an CDU-Personen fest: An Julia Klöckner und deren „Kuscheln mit Nestlé“ und anderen Konzernen beispielsweise, oder am Kanzlerkandidaten Friedrich Merz und dessen Blackrock-Vergangenheit.

Verstörender Lesestoff aus Verhandlungskreisen

Bei der Nichtregierungsorganisation „Frag den Staat“ sind die Zwischenergebnisse der Koala-Arbeitsgruppen detailliert nachzulesen, so auch das 15-Seiten-Papier der „AG15 – Klima und Energie“. Wer darin etwas blättert, findet zum Beispiel Widersprüche wie: „Nur wenn die Wirtschaft wieder spürbar wächst, können Unternehmen in Deutschland in neue Klimaschutztechnologien investieren“ seitens der CDu/CSU – und den gegensätzlichen SPD-Vorschlag „Deshalb unterstützen wir den Vorschlag für ein europäisches 2040-Ziel (in Höhe von minus 90 Prozent gegenüber 1990).“ Sprich: die CDu/CSU-Seite will im Wesentlichen den Zertifikatehandel ausbauen, aber nicht den Schadstoffausstoß hierzulande reduzieren. Das soll wohl reichen. Es geht aber noch krasser! Bei „II. Energiepolitik“ steht als Gemeinsamkeit: „Wir wollen eine transparente, planbare und pragmatische Energiewende zum Erfolg führen.“ Doch die CDU/CSU möchte diese „mit einem Neustart“ verknüpfen. Dabei würde es schon reichen, die in den nächsten Zeilen zu findenden Ideen „Entbürokratierung, Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy Sharing“ einfach umzusetzen.

Denn für einen (politischen) Neustart der Energiewende ist es schlichtweg zu spät; dessen Gesetzgebung würde sicher Jahre dauern. So ist im wahrsten Sinne brandaktuell im Wissensmagazin Scienxx seit 26. März 2025 zu lesen: „Haben wir die Rückkopplungen unterschätzt? Feedbacks des Kohlenstoffkreislaufs könnten Temperaturen stärker und länger in die Höhe treiben.

Konstruktiver Klimajournalismus wird immer schwerer

Passend dazu fand am Dienstag dieser Woche genau um zwölf Uhr – Fünfvorzwölf ist nachgewiesen bereits vorbei – ein Treffen von KonKlima statt. Die Journalist:innen, die sich dem Konstruktiven Klimajournalismus verschrieben haben, stellten sich dabei nicht die Frage: „Kann Merz Klimakanzler?“ Nein! Sie formulierten das Thema positiv: „Friedrich Merz (CDU) wird Klimakanzler – ob er es will oder nicht.“

Zumindest für den erfahrenen Umweltrechtsgelehrten Prof. Hermann Ott, zugleich Ex-MdB, steht fest: „Die nächste Bundesregierung muss im Klimaschutz so aktiv werden wie keine zuvor, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet ist.“ Nicht nur die jetzt grundgesetzlich festgelegten 100 Mrd. Euro sogenannten „Sondervermögens“, die für Klimaschutz reserviert sind, müssten dieser Zweckbestimmung gemäß genutzt werden, „sondern auch der Rest“: Dafür würden Gerichte sorgen, so Ott hoffnungsvoll.

Doch einige KonKlima-Journalist:innen äußerten an Merzens Klimalösungswillen erhebliche Zweifel. Zudem bestehe die Gefahr, dass Gerichtsentscheidungen sich über Jahre hinziehen. Und dann gebe es ja auch noch die lauten, nicht nur von der AfD hofierten Klimaleugner, oder die nicht nur lauten Bauernproteste. Ob beim Agrardiesel, der wieder subventioniert werden soll, oder der von der Ampel festgelegten Zwei-Prozent-Windfläche, welche die CDU/CSU „alternativ durch ein Ökostromziel“ ersetzt haben will: Beispiele für Merzens Klimaschutz-Wankelmut sind genügend in den Koala-Arbeitsgruppenpapieren enthalten.

Auch Wirtschaftsverbände mahnen

Nicht nur das AG15-Papier – „finale Version 24.3.25, 17 Uhr“ – lässt aber anderes befürchten. So hat beispielsweise der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) von CDU/CSU und SPD gefordert, „das Zwischenergebnis der AG Bauen in den weiteren Koalitionsverhandlungen zu überarbeiten“. Denn „dem Wärmemarkt und der Industrie muss Planungssicherheit bei der Umstellung zu Erneuerbaren Energien gegeben werden“, so BWP-Geschäftsführer Martin Sabel.

Klima- und Energiepolitik aber sind eine Frage des Vertrauens; das sollte eigentlich selbst in Politikkreisen bekannt sein. „Friedrich Merz hat auf dem jüngsten CSU-Parteitag von sich aus über Klimaschutz geredet.“ Damit machte Prof. Ott sich und den KonKlima-Journalist:innen Hoffnung; und auch, dass Völker- und Europarecht dem künftigen Kanzler und seiner Pseudo-GroKo gar keine andere Chance ließen, als Klimaregierung zu werden.

Aber verletzen deutsche Regierungen nicht schon seit Jahrzehnten Europarecht, indem sie die völkerrechtlichen Aarhus-Protokolle mit halbherzigen Änderungen beispielsweise am Umweltrechtsbehelfsgesetz bewusst ignorieren? Muss die Hoffnung – auf Klimaschutz und Überleben der Menschheit – wirklich zuletzt sterben?