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Jörg Sutter

Größer ist besser

Für große Dächer sind nun auch größere Module einsetzbar. [Bild: Sutter]

Eine Darstellung von Jörg Sutter

Beim Einsatz von Photovoltaik sind zahlreiche rechtliche und technische Rahmenbedingungen zu beachten, dazu gehören auch baurechtliche Vorgaben. Zu einer dieser Vorgaben wurde im Juli eine Aktualisierung vorgenommen, die zu einer effizienteren Umsetzung von großen Dachanlagen führen kann. Die Rede ist von der „MVVTB 2024-1“. Das ist die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen, die nun modifiziert und mit Zustimmung der Bundesländer am 28. August 2024 vom Deutschen Institut für Bautechnik (DiBT) veröffentlicht wurde.

Das Dokument kommt umfangreich mit 350 Seiten daher, jedoch ist für die PV eigentlich nur eine Änderung richtig interessant und hilfreich: Es geht im die maximale Modulgröße, die bei PV-Dachanlagen eingesetzt werden kann.

Bisherige Vorgabe
Für PV-Freiflächenanlagen können auch bisher schon Solarmodule eingesetzt werden, deren Modulgröße (also Länge mal Breite des einzelnen Moduls) nicht begrenzt waren. Nicht so jedoch bei PV-Dachanlagen: Hier gilt die MVV TB und damit galt bisher eine Begrenzung auf maximal zwei Quadratmeter Modulfläche pro Modul.

Zumindest, wenn ein Projekt einfach umgesetzt werden sollte, war das zwingend einzuhalten, auch wenn mir auch andere Projekte aus der Praxis bekannt sind. Der Einsatz größerer Module war bisher zwar prinzipiell möglich, jedoch mit der Vorgabe nach einer Einzelprüfung versehen und damit sehr umständlich und zeitraubend.

Damit wurden bei Dachanlagen meist Solarmodule mit maximal zwei Quadratmetern Modulfläche eingesetzt, obwohl inzwischen größere Module am Markt verfügbar sind.

Die Entwicklung der Modulgröße
Als die alte MVV mit der 2 m2-Grenze erstellt wurde, war sicherlich nicht absehbar, dass der Solarmarkt sich so dynamisch weiterentwickelt und auch die Modulentwicklung rasant weitergeht. Wirkungsgrade wurden erhöht, Glasscheiben stabiler hergestellt und die Module wurden größer. Ein Hintergrund ist, dass die Solarzellen immer größer produziert werden konnten: Während im Jahr 2010 die Standard-Zelle eine Kantenlänge von 156 mm (6 Zoll) hatte, kommen heute bis zu 210 mm Kantenlänge (8 Zoll) zum Einsatz. Warum wurden größere Zellen und Module entwickelt? Hintergrund ist einerseits der Wirkungsgrad pro Fläche, der bei mehr Fläche und weniger Randbereich größer ist. In der Praxis kommt ein weiterer Vorteil der Wirtschaftlichkeit dazu: Größere Module lassen sich schneller aufbauen, es müssen weniger Module miteinander verkabelt und weniger Modulklemmen zur Befestigung eingebaut werden. Der Aufbau ist damit hinsichtlich Materialeinsatz und Aufbauzeit einfach effizienter.

Nur größere PV-Anlagen können wirklich von der größeren Modulen profitieren, insbesondere industrielle PV-Kraftwerke auf riesigen Dachflächen. [Bild: Sutter]

Die neue MVV TB 2024-1
In der neuen MVV TB 2024-1, die nun im August veröffentlicht wurde, ist die maximale Modulgröße nun auf drei Quadratmeter festgelegt worden. Damit können aktuelle Großmodule nun auch ohne Einzelprüfung für große PV-Dachanlagen eingesetzt werden.

Warum nur für große Dachanlagen? Grundsätzliche gilt der neue Grenzwert ohne Einschränkung auch für kleine Anlagen. Jedoch werden bei typischen Ein- und Zweifamilienhäusern meist Module benötigt, die die bestehende Fläche möglichst gut belegen können. Weil hier oft Dachfenster, Gauben oder andere Aufbauen in der Fläche liegen, sind kleinere Module hier meist sinnvoller einzusetzen. Und: Die ganz großen Module sind nicht nur groß, sondern auch schwer. Handwerker, die mit zwei Personen eine PV-Anlage auf einem Hausdach montieren, würden hier ungern Module mit rund 35 Kilo Gewicht bewegen.

Zielgruppe
Damit richtet sich die Vereinfachung klar in Richtung der großen Industriedächer, auf die mehrere Hundert kWp installiert werden und bei denen die Module mit dem Kran auf das Dach gehoben und sogar eventuell direkt vom schwenkenden Kran auf die Unterkonstruktion verteilt werden. Dort können durch das größerer Modulmaß die oben genannten Vorteile genutzt werden.

Das Datenblatt dieses Modules mit 660 Watt Spitzenleistung weist eine Modulfläche von 2,7 Quadratmetern aus. [Bild: Longi]

Anwendung
Darf nun heute schon mit Großmodulen gebaut werden? Das ist leider nicht so einfach pauschal beantwortet werden. Das DiBT dazu: “Die Länder können die MVV TB 2024/1 nun in Landesrecht umsetzen“.

Das bedeutet in der Praxis: Das Baurecht ist bei uns in Deutschland Landesrecht, die baurechtlichen Grundlagen sind daher bei uns in 16 verschiedenen Landesbauordnungen geregelt. Dort wird jeweils auf weitere technische Baubestimmungen verwiesen, darunter auch auf die MVV. Um die neue MVV 2024-1 baurechtlich gültig zu bekommen, muss in der jeweiligen Landesbauordnung darauf verwiesen werden und die technischen Baubestimmungen müssen auf Basis der MVV im jeweiligen Veröffentlichungsmedium des Landes vom Land selbst veröffentlicht werden

Beispiele

  • Die hessische Bauordnung enthält in §90 folgenden Satz: “Die oberste Bauaufsichtsbehörde macht die Technischen Baubestimmungen nach Abs. 1 als Verwaltungsvorschrift im Staatsanzeiger für das Land Hessen bekannt“.
  • Die Landesbauordnung in Nordrhein-Westfalen enthält den Verweis zu den technischen Baubestimmungen in § 88 der Landesbauordnung (die selbst zum Jahresbeginn geändert wurde): “Die Oberste Bauaufsichtsbehörde erlässt die technischen Baubestimmungen [..] als Verwaltungsvorschrift für das Land NRW“.
  • In Baden-Württemberg findet sich das in der Landesbauordnung in § 3 bei den allgemeinen Anforderungen: „Die obersten Baurechtsbehörden können im gegenseitigen Einvernehmen Regeln der Technik, die der Erfüllung der Anforderungen des Absatzes 1 dienen, als technische Baubestimmungen bekanntmachen“.  In Baden-Württemberg wurden die neuen Vorgaben bereits am 11. Juli 2024 veröffentlicht und sind damit schon gültig.


Fazit
Das bedeutet: Bevor aktuell ein Projekt mit Modulen größer zwei Quadratmetern konkret umgesetzt wird, sollte die Landesveröffentlichung der Vorgaben abgewartet werden – falls nicht schon geschehen. Wie lange das in den einzelnen Ländern dauert, ist nicht bekannt. Eventuell kann hier ein Anruf bei der obersten Baurechtsbehörde oder ein Blick ins Internet hilfreich sein.