
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
Die Kritik kam prompt drei Stunden später: „Der Grünen-Vorschlag ist gut gemeint, aber an entscheidenden Stellen schlecht gemacht. Unser Gesetz wird für eine angemessene Beteiligung von Kommunen und Bürgern an Windenergie- und PV-Freiflächen sorgen“, ließ Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in Riesenlettern verkünden.
Es muss wohl gesessen haben: Am Mittwochmittag haben Bayerns Landtagsgrüne den Entwurf ihres „Bürgerenergiebeteiligungsgesetz Bayern“ der Presse vorgestellt. Seit Anfang des Jahres haben sie am Inhalt gearbeitet. Warum dabei trotz des grundsätzlich wichtigen Inhalts nur dieses kryptische Kürzel dafür herauskam? BürgEnBeG.
Als Grund für die Fraktions-Initiative nannte Martin Stümpfig, der Energiesprecher der Landtags-Grünen „den großen Nachholbedarf in Bayern: Wir decken hier gerade mal 50 Prozent am Strombedarf aus Erneuerbaren Energien.“ Es gebe zwar „viele gute Beispiel-Projekte – aber nicht flächendeckend.“ Seine Fraktion wolle aber, dass die finanzielle Bürger- und Gemeindebeteiligung in ganz Bayern zur Pflicht werde.
Vorhabenträger in der Holpflicht
Hierzu schreibt das „Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an der Nutzung von Wind- und Sonnenenergie“ – so der offizielle Titel der Landtagsdrucksache 19/3082 – in Art. 6 eine „Beteiligungsvereinbarung“ vor: „Der Vorhabenträger ist verpflichtet, den Standortgemeinden ein Angebot zur Beteiligung der beteiligungsberechtigten Personen sowie der beteiligungsberechtigten Gemeinden am Ertrag des Vorhabens zu machen.“
Durch die gesetzliche Vorgabe solle festgeschrieben werden: Projektentwickler müssen künftig zuerst mit den Kommunen klären, wie und was die Allgemeinheit und regionale Bürgerschaften von Wind- oder Solarstromkraftwerken finanziell abbekommen. Stümpfig stellte dabei heraus: Besonders gewünscht sei die Beteiligung von Bürgerenergie-Gesell- oder -Genossenschaften, betroffener Gemeinden selbst sowie in deren überwiegendem Eigentum stehender Unternehmen als Kooperationspartner der so genannten „Vorhabenträger“.
„Gute Rahmenbedingungen für regionale Energie“
Zustimmung kam von Katharina Habersbrunner. Die Vorständin beim Bündnis Bürgerenergie BBEn, vielfältig in Bereich der Energiegenossenschaften aktiv, findet „den Entwurf sehr gut. Denn viele Energieprojekte scheitern am Widerstand der Bevölkerung, weil die Bürger nicht eingebunden werden. Deshalb ist aktive Bürgerbeteiligung wesentlich.“ Der Entwurf biete „gute Rahmenbedingungen, damit möglichst viel regionale Energie erzeugt wird. Der Entwurf stärkt die Beteiligungsformen der Bürger.“ Zwar hätte Habersbrunner lieber ein bundesweites Beteiligungsgesetz, doch sei keines in Sichtweite.
Wie diese direkte finanzielle Anteilnahme ausgestaltet sei, dafür biete das BürgEnBeG jede Menge Möglichkeiten, so Stümpfig. Als Beispiele nannte er „die Beteiligung an der Projektgesellschaft, Anlageprodukte, vergünstigte lokale Stromtarife, pauschale Zahlungen an Anwohner:innen oder Gemeinden oder die Finanzierung gemeinnütziger Vereine“.
Komme eine solche Vereinbarung aber nicht zustande, dann müsste der Betreiber an die betroffenen Kommunen 20 Jahre lang 0,3 Cent pro kWh abführen. Außerdem hätten die örtlichen Bürger:innen das Recht, sich mit Nachrangdarlehen zu Beträgen zwischen 500 und 25.000 Euro zu mindestens 20 Prozent am Investitionsvolumen der Anlagen zu beteiligen. Der Zinssatz müsse angemessen sein, die Laufzeit der Kreditverträge mindestens 10 Jahre betragen.
Aktive Bürgerbeteiligung der Schlüssel?
Für Katharina Habersbrunner ist jedoch „die aktive Bürgerbeteiligung die Grundlage, um Projekte zu beschleunigen, die Energiewende voranzubringen und lokale Wertschöpfung zu generieren“. Dabei nannte sie die etwa 250 Bürgerenergiegenossenschaften in Bayern als gute Anker, um die lokalen Interessen der Bürger:innen einzubeziehen: „Was mit dem Strom passiert, das wird hier lokal bestimmt.“
Als Gegenbeispiel erwähnte Martin Stümpfig den ursprünglichen Fehlschlag beim geplanten Waldwindpark Altötting: „Bei den Ausschreibungen der Staatsforsten ist momentane Praxis: Wer am meisten bietet, bekommt den Zuschlag. Dieses Punktesystem müssen wir ändern.“
Als Problem sahen aber beide Protagonisten die Ausschreibungen der Bundesnetzagentur. Große PV- und Windkraftwerke benötigen zunächst einen Zuschlag bei der bundesweiten Vergabe von EEG-Genehmigungen, bevor regional konkret geplant werden kann. Habersbrunners Kritik: „Mit den Ausschreibungen wurde kein Ziel erreicht. Sie bremsen, statt den Ausbau zu beschleunigen.“
Stümpfig erwartet jedoch durch den Grünen-Gesetzentwurf, „dass Energiegenossenschaften einen anderen Stellenwert bekommen“. Er erwartet gar, das BürgEnBeG könne Vorbild für Landesgesetze anderswo werden. Denn im Vorfeld habe man aus den bereits bestehenden Regelungen von NRW und Niedersachsen„das Beste herausgesucht“. Gemeinsam mit Fachleuten aus der Bürgerenergiebewegung und mit Projektierern wurde „etwas Eigenes, Einzigartiges“ geschaffen.
Nach Jahren noch nichts Konkretes der Regierung
Doch noch einmal zurück zu Minister Aiwangers Betroffenheit. Die Bayerische Staatsregierung kündigt seit Jahren eine eigene Gesetzesinitiative an. Auf Nachfrage der DGS-News zu konkreten Aiwanger-Ideen bekam die Redaktion aber nur diese Antwort seines Ministeriums: „Das Gesetz befindet sich auf der Zielgeraden und wird demnächst im Ministerrat beraten. Noch ist es nicht veröffentlicht.“