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Heinz Wraneschitz

Fusion statt Wärme?

Ein persönlicher Blick auf Deutschland und auf die Welt von Heinz Wraneschitz

Wärme wird nicht mehr benötigt in Deutschland. Das meinen anscheinend die womöglich künftigen Koalitionäre CDSU und SPD in ihrem „Sondierungspapier“ vom 8. März 2025 – denn erwähnt haben sie das Wort Wärme dort kein einziges mal.

Immerhin: Energie findet sich einzeln oder in Wortverbünden vielfach wieder. Zum Beispiel bei der Idee, vorrangig mit 20 Gigawatt zusätzlicher Gaskraftwerksleistung die fossile Energiewirtschaft zu subventionieren. Denn der „Ausbau von Sonnen- und Windenergie u.a. auch der Ausbau von Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie und Speicherkapazitäten“ soll zwar „entschlossen“, vor allem aber „netzdienlich“ erfolgen. Also offenbar nachrangig zur Gaskraftwerks-Unterstützung. Kraftwerke, die – wie letzte Woche berichtet – nicht einmal „H2-ready“ errichtet werden müssen.

Atommüllgebühren sozialisiert – hier im Zwischenlager.
[Foto: Heinz Wraneschitz]

Gas heizt das Klima an

Wie die Gaskraftwerke „auch zur Stabilisierung des Strompreises“ genutzt werden sollen, das erschließt sich jedenfalls niemandem, der nachdenkt: Denn genau der exorbitant hohe Gaspreis hat wegen des dank SPD-Sigi Gabriel 2019 eingeführten Merit-Order-Prinzips zum Beispiel im Krisenjahr 2022 die Strompreise explodieren lassen.

Vielfach haben die Koalitionspartner:innen in spe auf den elf Papier-Seiten den Begriff „Infrastruktur“ hinterlassen. Aus den 500 Milliarden Euro neuer Schulden, „Sondervermögen Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen“ genannt, „der Infrastruktur dienen. Dies umfasst insbesondere Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrs-Infrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung“, eine ziemliche Wundertüte also.

Wichtiger als Wärme ist CDSU und SPD sichtlich die (Kern-)Fusion – denn dieses Wort findet sich zweimal im Sondierungspapier.

Noch einmal mehr Geld als bisher (laut BMBF aktuell etwa 200 Mio. Euro pro Jahr) soll in die Entwicklung dieser Sonnensimulations-Technologie gesteckt werden. Dabei sollte allen Wirtschafts- und Energiepolitiker:innen klar sein: Kurzfristig löst die künstliche Fusion das Zukunftsenergieproblem nicht. Das können nur Erneuerbare Energien (EE)!

Doch das muss man wirklich wollen. Nicht nur für Strom, sondern auch durch natürliche Wärme. Daran aber gibt es Zweifel: die zu zwei Dritteln noch im Amt befindliche Zukunfts-Ampel-Koalition hatte nämlich für alle EE zusammen im Bundeshaushalt 2024 lediglich 173 Mio. Euro eingeplant, gerade mal 60 Prozent des Betrages, der für die nicht mehr vorhandene Kernenergie (290 Mio. Euro) bereitstand. SPD, Grüne und FDP wollten also offensichtlich die 100 Prozent EE nicht. Und im Haushaltsentwurf für 2025 hatte die Ampel gar 428 Mio. Euro fürs Atom vorgesehen, für die Erneuerbaren mit 152 Mio. nochmals weniger. 100 % EE ist jedoch ein Ziel, für das auch die DGS steht.

Sozialisierte Atomkosten

428 Mio. Euro also für die Atomtechnologie, die in Deutschland – anders als die Erneuerbaren – keine Kilowattstunde Strom mehr produziert: Diesen mathematisch unendlich hohen Strompreis tragen aber nicht die Ex-Betreiber der Atommeiler, sondern bezahlen wir alle mit. Denn aus der Finanzierung der Endlagerung – falls die jemals kommt -, der aktuell auf wackligen Beinen stehenden Zwischenlagerung und ähnlichen Dingen haben sich bekanntlich die Stromkonzerne RWE, Eon und Co mit einem 23-Mrd.-Zuschuss aus Endlager-Rücklagen im Jahre 2016 freigekauft – man könnte auch sagen: Aus der Verantwortung gestohlen. Sprich Gewinne (zuletzt durch den exorbitanten Strompreis 2022 generiert) haben sie eingesackt, spätere Kosten der Allgemeinheit aufgehalst.

Werden aber die Atom-Stromkosten richtig kalkuliert – also von der Versorgung mit Uran über Aufbereitung, Kraftwerksbau und Betrieb selbst, Abriss, Entsorgung, Endlagerung bis hin zur notwendigen aufsichtlichen Überwachung – dann sind diese heute schon weit höher als jene von Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft-Strom. Ohnehin haben die EE plus Speicher heute schon weltweit den Atomstrom hinter sich gelassen.

Zuschussbetrieb Atomkraft

Damit überhaupt neue Atommeiler gebaut werden, sind hohe staatliche Zusicherungen für Mindestabnahmepreise notwendig. Ob in Frankreich, Großbritannien oder sonstwo auf der Welt. Wenn also elf europäische Länder eine „Nuklear-Allianz“ vereinbaren; wenn international agierende Konzernlenker wie Zuckerberg, Bezos oder Gates wegen immer mehr Künstlicher Intelligenz (KI) „Atomkraft massiv ausbauen“ wollen – immerhin nennen sie das Jahr 2050 als trotzdem wohl unrealistisches Ziel-, dann läuft das auf nichts anderes als das Schröpfen der „Kleinen Leute“ hinaus. Denn absahnen werden die Kernspalt-Betreiber – unter Herstellkosten plus Gewinn verkaufen die nämlich keine kWh.

Noch länger hinziehen dürfte sich die Atomfusioniererei, wenn sie denn – anders als in und auf unserer Sonne – auf der von Menschen besetzten Erde überhaupt je zur Stromproduktion führen wird. Nein, ich habe nichts gegen die Freiheit der Forschung. Doch dass vor allem wegen der Selbstdarstellung einiger Politiker der künftigen Pseudo-GroKo „der erste Fusionsreaktor der Welt in Deutschland stehen“ soll und des vor allem dafür „eine massive Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung“ braucht, wie auf Seite 5 des CDSU-SPD-Sondierungspakets zu lesen ist: Das löst nicht unser Problem, weg von Öl-Gas-Kohle zu kommen und so weniger CO2 in die Luft zu blasen. Denn das Dilemma haben wir bereits. Und sogar im nun beschlossenen Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes ist auf Seite 17 festgeschrieben: „Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“.

Ausreden vor Amtsantritt

Da nützt es auch nichts, wenn der potenzielle Kanzler Friedrich Merz (CDU) laut Stuttgarter Zeitung behauptet, „diese GG-Änderung schaffe keinen neuen Verfassungsauftrag. Die Nennung der Jahreszahl 2045 entspreche lediglich den bereits bestehenden Vorgaben des Klimaschutzgesetzes.“ Denn dieses ist – wer erinnert sich noch – im Jahre 2021 vom Bundesverfassungsgericht als teils verfassungswidrig erklärt worden. Auch wenn es später nachgebessert wurde: Ob die Kosmetik gereicht hat, prüft das BVG zurzeit erneut.

PS: Apropos Wärme. Vielleicht meinen ja einige, wir brauchen künftig keine Wärme mehr. Denn im vergangenen Jahr haben wir wie vielfach berichtet erstmals das Pariser 1,5-Grad-Klimaziel gerissen. Womöglich sogar dauerhaft. Aber trotz oder gerade wegen durchschnittlich höherer Temperaturen in der Atmosphäre kommen ebenso immer mehr Extremwetterereignisse auf uns zu. Dazu gehören sicher auch irre Kälteperioden.