
Ein Sachstands- und Zukunftsbericht aus Nürnberg von Heinz Wraneschitz
Der Versorger N-ERGIE AG und ihr Hauptanteilseigner Stadt Nürnberg haben weitreichende Fernwärmepläne für die Noris. Mitte April stellten sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in der Konzernzentrale der Werke am Plärrer ihr Konzept vor.
Die Wärmewende sei ein zentraler Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität, zu der sich die Stadt bekannt habe, so Oberbürgermeister (OB) Marcus König (CSU). Dabei müsse man „Umwelt und Gesundheit, Bau und Infrastruktur gemeinsam denken“. Deshalb werde der Stadtrat bereits 1. Quartal 2025 die kommunale Wärmeplanung für die Noris beschließen, „Hand in Hand mit der N-ERGIE“, wie er versprach. Deshalb zeigte sich „dankbar, dass wir die Werke haben. Kommunen ohne Versorger müssen die Wärmewende alleine erledigen. Hier aber sieht man: Energie und Wärme gehören zusammen.“ Und gemeinsam wolle man „bis 2040 50 Prozent der Wärmebedarfe mit Fernwärme abdecken“, und zwar gleichermaßen bei Haushalten wie Industrie.
Doch nicht überall sollen Fernwärmeleitungen gelegt werden: In dünner bebauten und besiedelten Gebieten wie dem Knoblauchsland im Norden oder Katzwang im Süden sei dies praktisch und wirtschaftlich nicht möglich. „Doch in dicht bebauten Gebieten ist Fernwärme die optimale Heizungsart und die ideale Lösung. Die Menschen sollen möglichst bald wissen, was wo passiert“, nannte der Stadtchef als Grund, warum Nürnberg schon zwei Jahre nach Verabschiedung des entsprechenden Bundes-Gesetzgebung den Weg zur klimaneutralen Stadt vorlegen werde. Darin solle klar stehen, in welcher Straße im Jahre 2045 welche Heizungsart möglich sei.
Fernwärmeausbau startet vor kompletter Wärmeplanung
Doch die N-ERGIE wartet gar nicht erst, bis der Kommunale Wärmeplan vorgestellt wird – sie hat bereits jetzt entschieden, in drei Gebieten den Fernwärmeausbau voranzutreiben: Die beiden Bestands-Wohnareale östlich des Friedrich-Ebert-Platz (117 Gebäuden / etwa 900 Wohneinheiten) und südlich der Meuschelstraße (67 Gebäude / etwa 500 Wohneinheiten) liegen im Norden der bereits großteils an die Fernwärme angeschlossene Altstadt. Das Industrie- und Gewerbegebiet Nordostpark mit 64 Gebäuden steht ebenfalls zum Fernwärme-Ausbau an. Konkret soll das in den Jahren 2025 und 2026 passieren. Allein dafür seien 25 Mio. Euro eingeplant. Maik Render, der Sprecher des Vorstands der N-ERGIE versprach den potentiellen Fernwärme-Kund:innen „eine pauschale Anschluss-Kostenbeteiligung von etwa 10.000 Euro. Dafür werden wir aktiv werben.“ Als Vorteil für die Angeschlossenen stellte er beispielsweise heraus, dass – anders als bei individuellen Heizsystemen – „später keine Wartungs- und sonstigen Kosten anfallen“, die Kundschaft also mit klar kommunizierten Fernwärme-Kilowattstundenpreisen kalkulieren könnten. Die würden demnächst wieder auf ein Niveau falle, wie es vor dem Putinschen Angriffskrieg auf die Ukraine herrschte, sagte er voraus.
Dass früher offensichtlich Stadt und Versorger nicht immer in eine Richtung zogen, machte Umweltreferentin Britta Walthelm (Grüne) klar: „Ich habe bei meinem Amtsantritt nach der letzten Kommunalwahl einen Wärmeplan aus dem Jahr 2011 in der Schublade gefunden.“
Dort blieb er aber ungenutzt liegen. Zwar werde in der Stadt bereits 40 Prozent weniger CO2 als im Jahr 1990 ausgestoßen, doch sei das vor allem mehr erneuerbarem Strom und der Umstellung des Heizkraftwerks von Kohle auf Gas zu verdanken. „Jetzt aber ziehen auch bei der Wärme alle in eine Richtung. Allein die Wärme verursacht 29 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Stadt, und über die Hälfte der Energie geht in diesem Bereich“, nannte sie Zahlen. Deshalb sei „Fernwärme ein großer Hebel“ auf dem Weg zur Klimaneutralität, die der Freistaat Bayern bis 2040 anstrebt.
„Klar kommunizieren, was kommt und was nicht“
Daniel F. Ulrich, parteiloser Planungs- und Baureferent der Stadt Nürnberg, ist da etwas vorsichtiger: „Stück für Stück bis 2045 klimaneutral, das ist die gesetzliche Anforderung“, erklärte er. Deshalb müsse „kein Gebäudeeigentümer panisch reagieren, sondern vernünftig nachdenken“, auf welche Art künftig geheizt werden soll. Doch „gerade auch für Gebäude mit Denkmalschutz-Status kann Fernwärme eine Lösung anbieten: Hier hilft das Gebäudeenergiegesetz GEG, das nicht mehr Dämmung um jeden Preis fordert“, so Ulrich. Deshalb werde nun untersucht, wo wie viel Wärme verbraucht werde, natürlich unter auch Beachtung des gerade in der Altstadt wichtigen Denkmalschutzes.
Auch Ulrich lobte die N-ERGIE: Die sei „schon ins Laufen gekommen, bevor das Gesetz GEG fertig war. Das ist nicht in allen deutschen Städten so“ – und auch nicht das gemeinsame Vorgehen. Als Oberplaner der Stadt versprach er zudem, dies werde auch bei der Abstimmung von Trassen-Arbeiten geschehen. Denn die seien nicht nur Fernwärme, sondern auch für mehr Strombedarf für Wärmepumpen oder Elektroautos nötig.
Er sprach ebenfalls an, dass man Wärme nicht mehr nur wie bisher hauptsächlich im inzwischen „H2-ready“-gemachten Heizkraftwerk Sandreuth gewinnen wolle: „Es geht auch um externe Quellen, Abwärme aus der Industrie beispielweise.“ Außerdem sucht die N-ERGIE zurzeit großflächig nach Möglichkeiten, wo ein Geothermie-Kraftwerk zur Gewinnung von Fernwärme errichtet werden kann: Erst kürzlich wurden Erkundungsflüge mit einem Spezialflugzeug abgeschlossen.
„Am Ende wollen wir den Leuten sagen können, wo keine Fernwärme kommt, ist beispielsweise Geothermie (Gebäude-orientierte Wärmepumpen; d.Red.) oder Biomasseheizung möglich.“ Hier seien besonders die in den 1960er Jahren entstandenen Wohngebiete „Hauptaufgabe für die Gutachter“. Aber schon jetzt sage man „in jeder Bürgerversammlung: Keine Panik. Aber wer jetzt eine Gasheizung einbauen will, dem raten wir dringend ab.“
1,3 Mrd. Euro in Netzausbau, 1,6 Mrd. Euro in Fernwärme
Beim Jahrespressegespräch der Städtischen Werke Nürnberg, zu der neben der N-ERGIE unter anderem auch die Verkehrsbetriebe VAG gehören, wurden ein paar Tage später noch weitere Details bekannt. Man werde für die Umsetzung der Energie- und Wärmewende in den kommenden Jahren massiv investieren, insbesondere in die Transformation von weiten Teilen der Infrastruktur für Strom und Wärme. So werde „das Stromnetz in den kommenden Jahren substanziell ausgebaut: Rund 1,3 Mrd. Euro bis 2030“ werde investiert, um das Netz für die „Herkulesaufgabe“ zu ertüchtigen, „die stetig steigenden Mengen regenerativ erzeugten Stroms aufnehmen und weitertransportieren zu können“.
Verschiedene Maßnahmen für mehr Grüne Fernwärme werden bis 2035 über 600 Mio. Euro kosten. Dazu soll – wie oben bereits erwähnt – das Fernwärmenetz massiv ausgebaut werden: rund 1 Mrd. Euro sind bis 2040 dafür vorgesehen. Das scheint auch notwendig. Denn schon jetzt stellt die N-ERGIE eine stark gestiegene Nachfrage nach Fernwärmeanschlüssen fest. Vorstandsmitglied Magdalena Weigel: „Wir werden förmlich überrannt. Vor der Energiekrise hatten wir 200 Anfragen im Jahr, 2022 waren es schon 500 und 2023 sogar 1.500.“ Und was das Unternehmen auch feststellt: „Wer angeschlossen hat, hat kaum Beschwerden.“
Der Nürnberger Konzern sieht „die Energiewende als Aufgabe einmaliger, historischer Dimension. Und wir richten unsere Strategie komplett darauf aus und werden alles tun, um sie in Nürnberg und unserer Region zum Erfolg zu führen“, erklärt Maik Render. Magdalena Weigel ergänzt: „Die kommenden Jahre werden für uns ein absoluter Kraftakt.“