
Ein Veranstaltungsbericht von Jörg Sutter
Der „Handelsblatt Energie-Gipfel“, der jährlich in Berlin stattfindet, hat eigentlich recht wenig direkt mit der Solarenergie zu tun. Dort trifft sich die große Energiewirtschaft, um die wichtigsten Themen und Trends der Branche zu besprechen; es ist auch ein großes Vernetzungsevent von Branche, Politik sowie ein Sprachrohr in Richtung Presse. Trotzdem möchte die DGS-News-Redaktion an dieser Stelle davon berichten. Denn der „Gipfel“ bot auch einige Aspekte mit Ausblick auf die Solarenergie – zumindest auf PV.
Habecks Energie- und Klimapläne
Die Opening-Keynote zu Beginn am Dienstag dieser Woche übernahm Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Das unterstrich einerseits die Bedeutung der Veranstaltung, ist aber andererseits in Zeiten des Wahlkampfs nicht unkritisch zu senen. Doch bis auf wenige, aber klare Sticheleien formulierte er seine Forderungen: Im digitalen und auch im Energiebereich müssen wir in Europa besser werden, das auch gerade in Hinblick auf den neuen amerikanischen Präsidenten, der tags zuvor frisch ins Weiße Haus einzog. Robert Habeck formulierte die kommenden Aufgaben der Energiepolitik: Versorgungssicherheit klimaneutral sicherstellen, das Energiesystem flexibilisieren und alte Strukturen hinterfragen und ändern. Viel Applaus erntete er für die klare Aufforderung, nicht mit Antworten von vor 20 Jahren die Probleme von heute lösen zu wollen – einer der Nadelstiche an die politischen Mitbewerber.
Was beim Autor dieses Beitrags einen sehr positiven Eindruck hinterlassen hat: Nahezu alle Redner aus der Wissenschaft, der Industrie und der Energiebranche haben den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht in Frage gestellt. Dass Wind und Solar weiter ausgebaut werden, ist gesetzt. Und es ist auch angekommen, dass diese Techniken heute meist schon preislich wettbewerbsfähig sind. „Ist doch schon lange so“, wird viele DGS-Leser:innen denken. Aber der Energie-Gipfel ist eine Veranstaltung für die und mit der Industrie – und da wird zwar wie in den Haushalten über hohe Stromkosten geklagt, doch die absolute Höhe pro kWh ist auf einer anderen Ebene als im Haushaltsbereich, egal ob in der Stahlindustrie oder bei der Zementherstellung. So gab es auch gelegentlich noch Anmerkungen, dass die Geschwindigkeit der Transformation zu hoch sei – doch auch das war bei der Veranstaltung eine klare Minderheitsmeinung. Nicht nur Dr. Felix Matthes vom Öko-Institut forderte ein Ende der Diskussion um den CO2-Preis und gleich auch noch klar die Streichung der „Technologieoffenheit“ aus dem Vokabular.
„Wir sind mit den Erneuerbaren auf dem richtigen Weg“: das zu hören, ist für Menschen aus der EE-Szene eine große Genugtuung, wenn man sich noch an frühere Zeiten erinnert, wo – nicht nur im übertragenen Sinne – selbst Industrie-Vertreter:innen gegen Windmühlen gekämpft haben.
Nutzen der Fossilien?
Nur vereinzelt wurde auch der Nutzen der fossilen Energien betont – so zum Beispiel vom Vorstandsvorsitzenden der OMV, die ja eine abrupte Umstellung weg von russischem Gas meistern musste; heute jedoch einräumt, dass man nun in der nächsten Abhängigkeit stecke: Das russische Gas wurde eben nicht durch im Land produzierte Erneuerbare Energien ersetzt, sondern durch US-amerikanisches LNG, dessen sichere Lieferung mit dem neuen Präsidenten nun ein neuer Risikofaktor geworden ist.
Spannend auch dieser Aspekt bei der Veranstaltung: Es herrschte großer Konsens zu den anstehenden Aufgaben. Ob Kraftwerksicherheitsgesetz zum Ausbau der Reservekraftwerke, schnellerer Netzausbau und mehr Flexibilitäten: überall waren sich Politik und Energiebranche einig. Trotzdem bleib es spannend in den kommenden Monaten: Zwar fordern Industrie und Energiebranche unisono von „der Politik“, verlässliche stabile Rahmenbedingungen sicherzustellen. Aber ob das mit der Bundestagswahl und der Regierungsbildung und Arbeitsaufnahme der neuen Regierung gelingen kann? Das steht für viele Energiegipfel-Teilnehmende noch in den Sternen.