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Jörg Sutter

Energie ist Verhandlungssache

Ein Kommentar von Jörg Sutter

Bundestag – jetzt mit neuer Besetzung
[Bild: Sutter]

Nun ist es soweit: Der alte Bundestag ist abgewählt, hat kurz vor knapp noch das Mega-Finanzpaket beschlossen; die erste Bundestagssitzung des neuen Bundestags hat am Dienstag stattgefunden und schon einen ersten Eindruck hinterlassen. Die Rechten sind stärker vertreten und es ist zu hoffen, dass die neue Bundestagspräsidentin die Sitzungsverläufe und den Redestil – von nervenden Zwischenrufen ganz zu schweigen – in Zukunft im Griff hat. Jetzt muss sich die Koalition finden und konkrete Kompromisse aushandeln, die bitte nicht immer zwei Tage später von beiden Seiten wieder unterschiedlich interpretiert werden. Bringt uns das auch bei der Energiewende nach vorne? Es ist jedenfalls zu hoffen, dass es hier weiter vorangehen wird – Details zum aktuellen Verhandlungsstand weiter unten.

Vernunft oder Lobby?

Dass die Bahn und der Baubereich, vor allem aus dem Bereich der Infrastruktur, nun schon Ansprüche an die hohen beschlossenen Geldbeträge anmeldet haben, war zu erwarten. Es bleibt zu hoffen, dass sich hier nicht die Lobbyisten mit den besten Verbindungen durchsetzen werden, sondern schlicht auch die sinnvollsten Projekte für das Land finanziert werden. Als regelmäßiger Bahnfahrer kann ich davon ein Liedchen singen.

Klimaschutz im Grundgesetz und Geld im KTF

Zu einem Punkt fand ich es jedoch erstaunlich, dass nicht mehr Resonanz von Seiten der Umweltpolitik und der Umweltvereinigungen zu lesen war: Dass vereinbart wurde, die Klimaneutralität bis 2045 ins Grundgesetz zu schreiben, halte ich für eine bahnbrechende Entscheidung. Zum einen, weil Deutschland dann wieder vorangeht (Europa hat sich „nur“ 2050 als Ziel gesetzt). Zum anderen, weil dieser eine Satz im Grundgesetz womöglich große Auswirkungen für fossile Projektplanungen haben wird, die dann schlicht nicht verfassungskonform sind.

Die 100 Milliarden Euro, die in den kommenden Jahren in den Klima- und Transformationsfond (KTF) fließen sollen, schaffen weiterhin große Möglichkeiten: zum Beispiel umfassende Förderungen für den Gebäudebereich auf den Weg zu bringen, den Energieverbrauch zu senken und auf erneuerbare Quellen umzustellen.

Brücken in der Politik – baulich vorhanden, inhaltlich müssen sie jetzt gebaut werden.
[Bild: Sutter]

Energiewende: Neustart oder nicht?

Im Gegensatz zu anderen Arbeitsgruppen, die derzeit noch streiten, hat die Arbeitsgruppe Energie und Klima im Rahmen der Koalitionsverhandlungen inzwischen ein gemeinsames Papier verfasst, in dem auch Kompromisse zur Fortführung der Energiewende beschrieben sind. Feinheiten sind auch hier noch strittig, zum Beispiel ob die Formulierung „mit einem Neustart“ in den Text einfließen soll oder nicht. Aber ganz ehrlich: Das ist mir egal, ich möchte, dass wir weiterkommen, dass die Erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden und das Ziel nicht aus dem Auge verloren wird: Wir wollen möglichst rasch möglichst viel unseres Energieverbrauches aus Quellen decken, die keine Probleme für die nächste Generation hinterlassen und auch keine Umweltschäden verursachen. Windkraft, Solarenergie und inzwischen auch Speicher sind hier die wichtigsten Bausteine, für die wir uns als DGS einsetzen.

Das findet sich auch so im Papier der Koalitionäre: „Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen“ steht im ersten Satz des Ergebnispapiers der Arbeitsgruppe – das kann Mut machen. Auch sind konkrete Punkte für die Energiewende genannt: „Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy Sharing“ – doch standen diese Punkt nicht früher auch schon in Koalitionsverträgen, ohne dass sie es anschließend in die Praxis geschafft haben? Die Strompreise sollen konkret gesenkt werden durch die sofortige Absenkung der Stromsteuer. Die systemdienliche Nutzung von E-Auto- und Heimspeichern soll weiter vorangetrieben werden.

Und konkret die Solarenergie?

Hier geht es (wieder einmal) nur um die Stromerzeugung und die erste Bemerkung im Papier verblüfft: Die Regelungen des neuen Solarspitzengesetzes sollen „geprüft“ werden. Gibt es denn daran schon wieder Zweifel, die bald wieder zu gesetzlichen Änderungen führen? Hilfe, darf ich um Planungssicherheit bitten? Doch andere Sätze lesen sich dann wieder gut: “Anmeldeverfahren werden wir durch Digitalisierung und Standardisierung vereinfachen. Wir achten auf Flächenschonung und wollen Möglichkeiten der Doppelnutzung, wie z.B. Parkplatz-, Agri- und Floating-PV erleichtern“. Die PV-Branche steht dafür bereit!

Solarenergie soll weiter ein Mittel zum Klimaschutz bleiben
[Bild: Sutter]

Ist die Energiewende deshalb in trockenen Tüchern?

Nein, sicherlich nicht. Einerseits sind auch im Energiebereich noch etliche Punkte strittig, zum Beispiel der Umgang mit den Atomkraftwerken: Soll der Rückbau noch gestoppt werden? Aus meiner Sicht ein klares NoGo – und auch die betroffenen Betreiber haben sich dementsprechend geäußert, wie zum Beispiel aktuell hier im Handelsblatt zu lesen ist. Diese Passage im Koalitionsvertrag müssen nun die Chefverhandler klären. Ganz wichtig aber: Beim Kohleausstieg soll es ohne Einschränkungen bleiben, an der Jahreszahl 2038 und auch der Strukturwandel-Förderung soll in vollem Umfang festgehalten werden.

Doch es gibt auch andere Stimmen: Neben Anbietern aus der fossilen Energiewirtschaft klingen auch Stimmen zum Beispiel aus dem Wirtschaftsrat der CDU (der nichts direkt mit der Partei und auch nichts mit den Koalitionsverhandlungen zu tun hat) mehr als rückständig: In einem Papier mit aktuellen Vorschlägen spricht der Verein von Gefährdung der Netzstabilität durch Photovoltaik – und fordert, das Ziel der 100% erneuerbaren Energien aufzugeben. Die AKWs sollen wieder eingeschalten werden und deutsches Gas soll per Fracking gewonnen werden.

Wir müssen also weiter aufpassen: Die Gegner der Energiewende sind noch immer unter uns. Hoffen wir, dass sich die Koalition in Berlin findet und unsere Ziele dann nicht nur in einen Koalitionsvertrag niederschreibt, sondern danach auch die Umsetzung angeht.