
Ein Bericht von Götz Warnke
Rund 61 Millionen Kraftfahrzeuge gibt es in Deutschland, davon 49 Millionen PKW. Von letzteren fahren 90 Prozent mit Benzin oder Diesel; den Rest teilen sich Erdgas, Autogas, Strom, Pflanzenöl und Wasserstoff. Jedes dieser Fahrzeuge ist im Schnitt zwölf Jahre auf der Straße, und produziert dort seine Umwelt- und Klimaauswirkungen. Da manche Fahrzeuge durch Unfall oder Export vorzeitig ausscheiden, ist die reale Haltedauer noch etwas höher, und sie steigt weiter. Das bedeutet nach heutigem Stand: Ein Fahrzeug, das dieses Jahr zugelassen wird, bleibt mindestens bis 2036 auf den Straßen, und ein Fahrzeug mit Zulassungsdatum 2036 rollt bis mindestens 2048 über den Asphalt. Allerdings fallen ab 2045 aus Gründen des Klimaschutzes und wegen des Pariser Abkommens die fossilen Treibstoffe und auch wohl das Pflanzenöl als Antriebsmittel aus. Es bleiben also noch Strom und Wasserstoff – sowie die mit Hilfe von Strom aus Molekülen synthetisierten „elektrischen Treibstoffe“, E-Fuels genannt. Diese sind, sofern man z.B. das CO2 aus der Luft abscheidet, klimaneutral.
Und auf diese setzt explizit das Bundesverkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP). Denn dort hat man richtig erkannt, dass auch noch 2045 eine Vielzahl von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf den Straßen sein könnten. Und dass in diesen Fahrzeugen eine Unmenge an grauer Energie in Form von Kunststoffen, gepressten Stahlblechen und Aluminiumträgern steckt, die bei einer Verschrottung weitgehend „vernichtet“ werden würden. Aber wie so oft im Leben: nicht jeder trefflichen Problemanalyse folgt auch ein entsprechend qualifizierter Lösungsvorschlag. Denn für den Energiegehalt von einer kWh E-Fuels benötigt man ca. 10 kWh Strom – Erneuerbaren Strom, wenn die E-Fuels wirklich klimaneutral sein sollen. Doch schon ohne den Verkehrssektor gibt es in Deutschland onshore und offshore nicht genügend Solar- und Windflächen für die in der Industrie und in der Luftfahrt benötigten Wasserstoffmengen – und Wasserstoff ist ja erst der erste Schritt zu E-Fuels. Was also tun?
Lösen lässt sich das Problem durch die Umrüstung von Fossil-Fahrzeugen auf E-Fahrzeuge: Bis auf die Bereiche Motor, Tank etc. bleibt die Graue Energie des Fahrzeugs erhalten. Auch lässt sich der Erneuerbare Strom quasi 1zu1 in Fahrzeug-Vortrieb verwandeln, statt die Energie wie bei E-Fuels auf ein Zehntel herunter zu wandeln, um sie dann wegen der Ineffektivität des Verbrennungsmotor im täglichen Stau nochmals zu Hälfte zu verschwenden.
Die Idee dazu ist nicht einmal neu. In den USA, dem Land der (TÜV-)Freien, ist es schon lange üblich, sich als Ersatz für kaputte oder zu schwache Motoren einen Ersatzmotor zum Selbsteinbau per Transportkiste nach Hause liefern zu lassen. Bei solchen Crate-Engines (Kisten-Motoren) kommen seit Mitte der 2010er Jahre kamen dabei zunehmend auch Tesla-Motoren für die Umbauten zum Einsatz.
Jenseits der Szene von Selbstbau-Enthusiasten sind solche Einzelumbauten teuer, zumal auch die Akkus sehr individuell in das Fahrzeug eingepasst werden müssen. Sie lohnen sich nur für Oldtimer, bei denen ein Originalmotor noch deutlich teurer werden kann, bei Fahrzeugen mit hohem emotionalem Wert oder bei Spezialfahrzeugen, die wegen ihrer besonders wertvollen Struktur oder technischen Ausrüstung möglichst lange in Betrieb gehalten werden sollen. Als Gegenbewegung gegen die teuren Umrüstungen gibt es erste Ansätze einer OpenSource-Bewegung.
Umrüst-Sets in Kleinserie hergestellt
Ein weiterer Bereich der Umrüster-Szene wird von Kleinserien abgedeckt. Hier entwickeln Firmen Umrüst-Sets für Marken oder Modelle. Bisweilen sind es kreative Dienstleister, die sich eines oder mehrerer Modelle einer Automarke annehmen. Oder renommierte Automarken halten über E-Umrüstsets ihre emotionalen Schätze, Erstes-Auto-Erinnerungen oder Luxusautos selbst nach Motor-Totalschäden in Betrieb und damit im Bewusstsein der Öffentlichkeit, wie es z.B. Aston Martin mit seinen Fahrzeugen DB 4/5/6 tut. Auch Busse, die zum großen Teil Serienprodukte sind, aber auch spezielle Ausstattungen und zunehmende Anforderungen an Klimafreundlichkeit haben, lassen sich relativ kostengünstig umrüsten.
Ein recht neuer Bereich sind Antriebsachsen, die sich in eine Vielzahl von Automodellen einbauen lassen. So hat der britische Autozulieferer GKN einen kostengünstigen E-Antrieb entwickelt, der sich leicht in Verbrenner-Fahrzeuge einbauen lassen soll. Auch der deutsche Autozulieferer ZF hat mit seinem EVbeat einen kompakten E-Antrieb, der sich für Umrüstungen eignen durfte.
Was aber erschwert bisher die Weiterverbreitung der Umrüstung?
Da sind zum einen die teuren Batterien; ein Problem, das sich mit dem Aufkommen der Natrium-Ionen-Akkus lösen wird.
Ein weiterer Problemkreis: Die Altfahrzeuge sind nicht für die Aufnahme von Akkus konstruiert. Erstens gibt es keinen vorgesehenen Platz für die Akkus, was primär dazu führt, dass umgerüstete Fahrzeuge meist nicht über die gleichen Batteriekapazitäten verfügen werden wie neue E-Autos mit ihrer Skateboard-Architektur, und sekundär, dass die Reichweite der umgerüsteten E-Autos geringer ist als die von E-Neuwagen. Zweitens wird durch das Gewicht der Akkus u.U. die zulässige Zuladung reduziert. Beide Probleme lassen sich z.T. umgehen, indem man die Autos vor allem auf Dach und Fronthaube mit flexiblen Solarzellen ausstattet (VIPV = fahrzeugintegrierte PV).
Und da gibt es das weitere Problem, dass Umrüstungen jenseits von Sets immer noch sehr teuer sind. Hier ist die Politik gefordert, diesen Bereich durch Mehrwertsteuer-Senkungen für Umrüstung/Reparatur zu fördern oder im Sinne der Technologieoffenheit bei Neuwagen-Konstruktionen eine E-Auto-Ready-Auslegung zu fordern.
Soweit alles klar? Noch längst nicht! Denn neben dem Straßenverkehr gibt es noch eine Vielzahl an Spezial- und Landmaschinen, die weiterhin auf ihre Umrüstung harren. Nicht einmal ansatzweise wird die Umrüstung von Motorbooten in Angriff genommen. Dabei handelt es sich, anders als z.B. bei Kleinkrafträdern, für die es sogar erste Ansätze gibt, um z.T. hochpreisige, mit viel Grauer Energie hergestellte Produkte. Immerhin gibt es rund 500.000 Sportboote in Deutschland; ca. die Hälfte davon sind reine Motorboote. Während es bei Segelbooten mit PV-Modulen, Kleinwindturbinen und Hydrogeneratoren kein Problem ist, und auch Motorboote sich mit Außenbordmotor sich leicht umstellen lassen, haben die großen Motoryachten ein echtes Problem. Hier sind künftig eine Menge neuer Ideen zur Elektromobilität gefragt – denn umrüsten tut not!