Thematische Einordnung

Ein zwiespältiger Bericht über die DII-Desert-Energy-Initiative von Heinz Wraneschitz
Wie sagte der wohl bekannteste Franke (*) nach Dürer so schön: „Again What Learned!“ Mir jedenfalls erging es so, als ich am Montag dieser Woche, also am 14. Oktober 2024 den Ausführungen zweier verantwortlicher Herren der Industrie-Initiative DII Desert Energy folgte. Denn anders als ich – wie womöglich viele unter uns – bislang geglaubt hatte, haben die 2009 gegründete Münchner DII GmbH und die sie Unterstützenden heute nur noch relativ wenig mit Plänen der – darf man das so sagen? – Gründungsorganisation Desertec zu tun.
Zur Erinnerung: Desertec wollte mit Solarstrom aus der Wüste vor allem Europa versorgen. CSP-Anlagen waren dafür in den Wüsten Nordafrikas geplant, also konzentrierende Solarspiegelkraftwerke, und natürlich dicke Stromleitungen. Schon 2014, also fünf Jahre nach der Gründung von DII, konstatierte Markus Balser in der Süddeutschen Zeitung: „Wüstenstrom-Projekt Desertec zerfällt.“
Und heute?
Aber scheinbar genau seit damals sieht sich das Unternehmen um „President“, also Aufsichtsratschef Paul van Son auf dem wirklich richtigen Weg: „Unser Auftrag: Keine Emissionen!“ – das wiederholte der DII- Gründungsvorstand auch am vergangenen Montag mehrfach. Mit diesen Nicht-Emissionen wollen Van Son und das vielköpfige DII-Team jedoch inzwischen nicht (mehr) zuvorderst den Europäer:innen ein Leben ohne Fossil-Energie ermöglichen: Erklärtes Ziel sei seit dem Quasi-Aus von Desertec, zunächst vor allem die Energiewende in der MENA-Region voranzubringen, also in Nordafrika. Das erläuterten van Son und der aktuelle Geschäftsführer (CEO) Cornelius Matthes den recht wenigen Journalist:innen, die der Einladung zur hybriden Pressekonferenz (PK) gefolgt waren.
Die PK fand im Vorfeld des diesjährigen, inzwischen bereits 14. „Leadership Summit“ statt, abgehalten im Wiener Gartenpalais Liechtenstein. Man könnte ob dieses Tagungsorts spötteln: „Vornehm geht die Welt zugrunde.“ Aber laut van Son und Matthes sei man nach langer Zeit wieder einmal zum jährlichen Treffen nach Mitteleuropa zurückgekehrt. Geschah das womöglich nur, um darauf aufmerksam zu machen, dass man weiter am Leben ist?
Nach eigener Einschätzung jedenfalls ist die DII-Initiative „sehr erfolgreich. Viele Solar- und Windprojekte sowie Netzausbau“ wurden laut Paul van Son bereits initiiert und abgeschlossen, insgesamt 30 Gigawatt (GW) Wasser-, Wind- und Solar-Energieumwandlung; alles in Nahost; alles für die dortige Bevölkerung: „Darauf konzentrieren wir uns zunächst.“ Übrigens sollen ab jetzt „jedes Jahr mindestens weitere 30 GW dazukommen“, so Matthes. Wenn das von Roland Berger entworfene Szenario >Green Revolution< eintrete, dann könnten so bis 2030 in der Region 390 GW Wind-, Solar- oder Wasserkraft neu entstanden sein, so die Hoffnung.
Weitreichende Zukunftspläne ohne Zeitangabe
Wohl deshalb nennt DII-Gründer van Son auch weit darüber hinausgehende Zukunfts-Pläne: Seit 2017 engagiere man sich für die Umwandlung von Wasserstoff in Ammoniak, wolle Kohlenstoff aus der Luft holen für E-Fuels wie Methanol. Und diese Energieträger sollen dann „im Export nach Europa und weltweit fließen“ – das aber sicher erst „in den nächsten Jahrzehnten“.
„Wir wollen nicht nur dafür einen Markt entwickeln, den es heute nicht gibt“, ergänzt Cornelius Matthes und verweist in diesem Zusammenhang auf das „weltweit größte H2-Projekt mit 4.000 Megawatt Elektrolyseurleistung“. Das sei zurzeit „im Bau“ – mit Elektrolyseuren von Thyssen Krupp –, auch wenn er nicht sagt wo. Es koste über 8 Mrd. Euro, von denen drei Viertel durch 23 Banken finanziert würden. Darauf ist er „stolz“, denn es sei aus dem Kreis der 120 DII-Mitgliedsunternehmen entstanden. Und er erwähnt, dass DII diesen H2-Trend „als Beweis für No-Emission-H2 weltweit setzen“ setzen wolle. Aber nicht erst, seit es den Wasserstoff-Hype gebe (wann auch immer der startete), sondern „bereits seit 2017“.
Man lässt bauen…
Doch die Initiative baut Ökoenergieanlagen nicht selbst auf und aus, wie einst bei Desertec geplant: Inzwischen setzt sie auf Kooperationen, wolle Brückenbauer sein für den Weg von 17 meist nordafrikanischen Staaten hin zu emissionsfreier Energieversorgung. „Jedes Land hat seine eigenen Pläne“, berichtet Matthes.
Für diese Hilfeleistung wurde laut van Son bei der Non-Profit-Organisation CII ein multi-kulturelles Team aus 36 Staaten aufgebaut, teilweise Muttersprachler, aber auch Fachleute aus Industrieländern. Gerade Marokko scheint dabei im Blickpunkt: Das Land „ist heute ein Energieimportland und will diesen Import durch eigene Erneuerbare Energien stoppen“, erläutert der CII-Präsident. Der will im Übrigen das heutige Öl-Exportland Saudi-Arabien in einen „Staat der Solar- und Windwirtschaft umwandeln.Das bringt für die ganze Bevölkerung eine Verbesserung“, gibt er sich überzeugt. Doch Paul van Son gibt am Ende auch zu: „Wir brauchen dafür viel Geduld, das hab ich lernen müssen.“
Oder wie es Franken-Lodda formuliert hätte: „Again What Learned.“
Übrigens: Am zweitägigen >14th Dii Desert Energy Leadership Summit< diese Woche in Wien nahmen etwa 200 Menschen teil, vor allem wohl aus den Reihen der DII-Partner, -Mitglieder und -Unterstützer. Zu den vier strategischen Partnern zählt neben Thyssen Krupp auch der chinesische staatliche Netzbetreiber State Grid…
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(*) Lothar „Lodda“ Matthäus, geboren in Herzogenaurach, gelernter Raumausstatter und bislang einziger deutscher Weltfußballer.