Newsletter
Jörg Sutter

Ein Gesetzentwurf zum Gruseln (II)

PV-Anlage aus einem Wohnhaus. Diese wäre nach Gesetzentwurf zukünftig mit hohen Kosten konfrontiert. [Bild: Sutter]

Eine Einordnung von Jörg Sutter

Anmerkung: Nach dem Entlassung von Christian Linder als Finanzminister und damit dem Ende der Ampel-Koalition in Berlin am Mittwoch Abend stellt sich die Frage, wie es wohl mit dem großen Reformpaket der Energiegesetze weitergeht. Kanzler Scholz will wichtige laufende Gesetzesvorhaben „die das Land braucht“ bis Jahresende in Kraft setzen. Ob das Energiepaket hier dazugehört – und ob das politisch gelingen kann – steht jedoch in den Sternen.

In diesem Beitrag in der vergangenen Woche habe ich die Hintergründe des aktuellen Gesetzentwurfs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erläutert, der massive Auswirkungen auf die PV-Umsetzung haben könnte. Ich hatte auf unsere Stellungnahme dazu verwiesen. Heute möchte ich an dieser Stelle einige Punkte aus dem Gesetzentwurf erläutern.

Grundsätzliche Richtung des Gesetzentwurfes
Der Gesetzentwurf in der jetzigen Form wäre geeignet, bei Verabschiedung den Ausbau der Photovoltaik massiv abzubremsen und die bisherigen Ausbauziele des EEG in weiter Ferne zu rücken. Hintergrund sind Einschränkungen bei der Vergütung, konkrete Verunsicherung von Investoren und die Forderungen nach technischen Aufrüstungen, die PV-Anlagen unwirtschaftlich machen würden.

Beispiel 1: Preisobergrenzen im Meßstellenbetriebsgesetz
Im Meßstellenbetriebsgesetz (MsbG) ist im Entwurf vorgesehen, die Preisobergrenzen für den Einsatz von SmartMeter deutlich anzuheben, und zwar gleich zum 1.1.2025. Daneben war bisher vorgesehen, die Gruppe von Stromverbrauchern mit 6.000 bis 10.000 kWh Jahresverbrauch im Pflicht-Rollout schnell mit SmartMetern zu versorgen. Das wird im Entwurf nun auch geändert; diese Verbrauchergruppe soll nur (auf Wunsch) freiwillig umgestellt werden. Für den eigene Wunsch nach einem SmartMeter soll dann auch noch eine Zusatzgebühr von 30 Euro bezahlt werden. Weiterhin wurde im Entwurf festgelegt, dass Steuerboxen auch mit einer Preisobergrenze versehen werden und vom Meßstellenbetreiber ausgerollt werden sollen. Eine solche Steuerbox ist nach §14 a z.B. beim Einbau eines Batteriespeichers, einer Wärmepumpe oder einer Wallbox notwendig. Der Nutzer der Steuerbox soll einen Jahresbetrag von maximal 100,- Euro bezahlen.

Beispiel 2: Steuerbarkeit im Meßstellenbetriebsgesetz
Im §29 des Gesetzentwurfes MsbG ist die Forderung enthalten, PV-Anlagen perspektivisch ab einer Größe von 2 (!) Kilowatt peak mit einem SmartMeter (also einem modernen Zähler plus Gateway zum Fernauslesen der Daten), und einer Steuerbox auszustatten. Damit könnten selbst diese Kleinanlagen vom Netzbetreiber bei Netzproblemen abgeregelt werden.
Das ist aus unserer Sicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Nachdem der Rollout der SmartMeter nun seit 2016 laufen sollte und nun gerade erst begonnen wird, größere Stückzahlen der modernen Zähler in die Keller zu bringen, macht es aus unserer Sicht energiewirtschaftlich keinen Sinn, hier die kleinsten PV-Anlagen für die Steuerung anzugehen, während die großen, bei denen eine Abregelung wirksamer für das Stromsystem wäre, unausgestattet bleiben würden. In unserer Stellungnahme haben wir abgeschätzt, dass das für kleine PV-Betreiber auch richtig teuer wäre: Kosten von 130 Euro pro Jahr für SmartMeter und Steuerbox wäre in Summe zu bezahlen, während die Einspeiseerlöse bei 50% Eigenverbrauch heute gerade einmal bei 80 Euro p.a. liegen.
Gleichzeitig soll der PV-Betreiber die volle Verantwortung haben, dass dieses Abregelsystem technisch immer funktioniert – obwohl er keinen Einfluss darauf hat, wenn Geräte in dieser Regelungskette z.B. nach einem Software-Update nicht mehr richtig reagieren.

Beispiel 3: Steuerung im EEG
Neben den im MsbG genannten Pflichten wird im EEG-Entwurf auch noch festgelegt, dass bei Bedarf der PV-Anlagenbetreiber auch gezwungen werden kann, alte Technik zur Regelung einzubauen. Das muss man sich mal vor Augen führen: Da wird seit Jahren die Digitalisierung vermurkst und der Einbau der digitalen Zähler immer wieder verschoben, und heute muss man im Gesetzentwurf lesen, dass im Zweifel die analoge Technik der 1970er Jahre eingebaut werden muss – auf Kosten des Betreibers selbstverständlich. Das ist schlicht nur peinlich und unfair gegenüber den engagierten Anlagenbetreibern.

Beispiel 4: Absenkung der Direktvermarktungspflicht
Auch in einem weiteren Bereich legt der Gesetzentwurf die Axt an die bestehende PV-Umsetzung und EEG-Vergütung an: Stufenweise soll die Pflicht zur Direktvermarktung abgesenkt werden. Aktuell müssen sich Anlagen mit einer Leistung ab 100 kWp einen Stromhändler suchen, um ihre eingespeiste PV-Strommenge vergütet zu bekommen. Diese Grenze soll stufenweise auf 25 kWp abgesenkt werden, was auch zahlreiche kleine gewerbliche Anlagenbetreiber in diese Pflicht drängt. Auch hier ist aktuell geplant, die erste Absenkung von 100 auf 90 kWp gleich zum 1.1.2025 vorzunehmen – ein Eingriff in zahlreiche Projekte, die sich aktuell in der Planung und Bauvorbereitung befinden.

Aktuell ist eine Direktvermarktung auch für Anlagen kleiner 100 kWp freiwillig erlaubt, das wird aber – allein aus Gründen des technischen Aufwands und der Kosten – von fast keinem Betreiber umgesetzt. Unabhängig von dieser „Attraktivität“ will der Gesetzgeber das nun mit Gewalt durchdrücken – und schafft dabei gleich auch noch die Möglichkeit ab, bei freiwilligem Umstieg und schlechter Erfahrung den „Rückweg“ in die feste Einspeisevergütung anzutreten. Man kann den Wunsch ja verstehen, dass die PV-Betreiber mehr über den Markt entlohnt werden sollen statt über eine Festvergütung – aber in dieser geplanten Form ist das eine Zumutung. Und noch einen Punkt obendrauf, um eine Investition in PV noch unsicherer zu machen: In Zeiten, in denen die Strombörse einen Börsenstrompreis von unter Null aufruft, sollen PV-Anlagenbetreiber keinerlei Vergütung für die Einspeisung mehr erhalten.
Das macht auf dem Papier Sinn, denn bei einem Strompreis Null an der Börse liegt ein Überangebot von Strom vor. Doch in der Praxis würde diese Regelung ein dickes Fragezeichen an die Amortisation jeder neuen PV-Anlage machen, weil einfach nicht abschätzbar ist, wie sich die Marktsituation in Zukunft entwickelt. Derzeit jedenfalls steigen die Zeiten der negativen Strompreise von Jahr zu Jahr deutlich; in diesem Jahr waren es bereits über 300 Stunden.

Diese wenigen Beispiele machen – denke ich – deutlich, wie stark die aktuellen Gesetzentwürfe in den PV-Zubau negativ eingreifen würden. Wir von der DGS haben daher massive Nachbesserungen und Änderungen gefordert. Durch die aktuelle Situation in Berlin steht die Umsetzung jetzt jedoch völlig in den Sternen.