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Jörg Sutter

Die ILA fliegt in die Zukunft

Lillium-Flugtaxi. Foto: Jörg Sutter

Ein Messebesuch von Jörg Sutter

Alle zwei Jahre findet in Berlin die internationale Luftfahrtausstellung (ILA) statt, ich habe mich dort einmal umgesehen, was an umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zu sehen war. Sicher, auch Flugzeuge mit umweltfreundlichem Elektro- oder Wasserstoff-Antrieb sind nicht frei von Klimawirkung – Stichwort Kondensstreifen. Dennoch: auch die Luftfahrt hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Und das sind gerade noch 26 Jahre.

Erster Eindruck
Als Erstbesucher der ILA darf man in erster Linie beeindruckt sein. Nein, nicht von der umständlichen Anreise zum BER und den Sicherheitskontrollen, sondern weil einige Ausstellungsobjekte schlicht beeindruckend groß sind. So war ein A380 der Emirates Airline geparkt und zur Besichtigung geöffnet. Von großen und kleinen Flugzeugen, Hubschraubern, Drohnen und auch einer Halle Weltraumtechnik mit Satelliten und Raketen gibt es dort viel zu sehen, etliches in Originalgröße. Unübersehbar auch der große Anteil der Militärtechnik: Von Transport-Airbus-400M bis Tornado und F-35 sowie passender Waffensysteme reichte hier die Spannweite.

Klimaneutral noch in der Nische
Außer im Bereich der Drohnen, die zumindest im nicht-militärischen Bereich meist schon elektrisch unterwegs sind, ist die klimaneutrale Fliegerei vom Anteil noch deutlich in der Nische. „Die wohl größte Herausforderung der Luftfahrtbranche, vor allem des zivilen Fliegens, ist die Klimaneutralität“, so Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Messeeröffnung. Drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes sind auf Flüge zurückzuführen.

Was könnte bald in der Luft sein?
Einige wenige Anbieter haben auf der ILA 2024 Fluggeräte ausgestellt, die entweder schon in der Luft sind oder sich in der Test- oder Antragsphasen befinden.

Lillium
Das Flugtaxi, vom Hersteller „Lillium Jet“ genannt, war in einem der verschiedenen Modelle direkt ausgestellt. Seit Jahren laufen Entwicklung und Zulassungsverfahren, im Jahr 2026 sollen die ersten Exemplare an Kunden ausgeliefert werden. Besonderheit ist hier der Elektroantrieb, der mit 36 Elektromotoren und drehbaren Flügeln konstruiert ist. Damit kann senkrecht gestartet werden, danach werden die Flügel gedreht und der Vortrieb erfolgt durch die gleichen Propeller. Wie aufwendig eine solche Neuentwicklung ist, kann man an der Anzahl der Mitarbeiter von Lillium abschätzen: Es sind derzeit nach Firmenangaben schon über 1.000 Personen. Es sieht aber gut aus: Die Bestellbücher seien – obwohl das Fluggerät derzeit noch in der Zulassung steckt – mit 780 Zusagen/Bestellungen gut gefüllt.

Volocopter
Ein direkter Gegenspieler von Lillium, die Fa. Volocopter aus dem badischen Bruchsal war in den vergangenen Monaten auch finanziell in schwieriges Fahrwasser geraten. Es war daher nicht verwunderlich, dass Volocopter nicht auf der ILA vertreten war.

Elektra Solar One
Die Elektro Solar One als vollelektrisches Kleinflugzeug wurde schon 2012 auf der ILA gezeigt, ausführliche Darstellungen dieser Entwicklung gibt es bereits. Der Hersteller sitzt im bayrischen Landsberg/Lech und hat weitere Modelle im Programm: Der Elektra Solar Two ist mit 27 Metern Flügelspannweite für Flüge in bis zu 20.000 Metern Höhe – mit Pilot oder unbemannt als Messflugzeug – nutzbar. Oder das Elektra eVTOL, ein drohnenähnlicher Senkrechtstarter, der bis zu 2 kg Nutzlast transportieren kann. Bei einer Antriebsleistung von nur 165 Watt bei 60 km/h Fluggeschwindigkeit sind damit Reichweiten von bis zu 180 km möglich.

Pipistrel Velis
Ein anderes Elektro-Kleinflugzeug drehte auf der ILA Kreise am Himmel: Die in Slowenien hergestellte Pipistrel Velis. Von diesem vollelektrischen Flugzeug gibt es bereits 65 Exemplare, die seit 2020 in Dienst gestellt wurden. Der Zweisitzer hat knapp 11 m Flügelspannweite und wird größtenteils von Flugschulen zu Ausbildungszwecken eingesetzt.

Doch nicht nur elektrische Flugzeuge werden in Zukunft eine Rolle spielen, vor allem bei größeren Flugzeugen wird man womöglich nicht an synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff vorbeikommen.

Mit synthetischen Kraftstoffen fliegen
Dass das heute schon möglich ist, zeigte auf der ILA das Forschungsflugzeug Dornier-D328 Uplift. Es ist Teil einer Fluggerät-Flotte der DLR, mit der Forschung im Himmel möglich wird.

Modell eines „Zero e“ H2-Triebwerks von Airbus. Foto: Jörg Sutter

Das H2-Flugzeug
Die zweite, klimafreundlichere Möglichkeit ist der reine Wasserstoffantrieb, an dem ebenfalls seit vielen Jahrzehnten geforscht wird. Ein größeres Flugzeug im Einsatz wurde dazu auf der ILA jedoch nicht gezeigt, nur drohnenähnliche Gefährte mit H2-Tank waren auf einem Messestand zu sehen. Hier geht es auch erst einmal um die Infrastruktur: Schon vor zwei Jahren war von Airbus und Linde eine Kooperation vereinbart worden, die den Ausbau der Bereitstellung von grünem Wasserstoff (H2) an Flughäfen zum Ziel hat.

Die Deutsche H2FLY aus Stuttgart ist auf Projektebene und als Aussteller der ILA unterwegs: Neben der Entwicklung eines H2-betriebenen Flugzeugs gilt hier das Augenmerk der Betankungsmöglichkeit, die bei H2 deutlich komplexer ist als bei Kerosin. Im September 2023 konnte das Unternehmen mit Partnern den Beweis antreten; der erste bemannte Flug mit Flüssigwasserstoff hob ab.

Seit 2022 arbeiten Ingenieure von Airbus in Hamburg und Ottobrunn ebenfalls am Wasserstoffantrieb, der mittels Brennstoffzelle einen CO2-freien Antrieb verspricht. Spruchreif ist das jedoch noch lange nicht. Ausgestellt auf der diesjährigen Messe in Berlin war nur ein Modell, Airbus schätzt für die Verfügbarkeit des neuen Triebwerks erst das Jahr 2035. Vorteil der Brennstoffzelle gegenüber der Wasserstoff-Verbrennung in einer Gasturbine: Es fallen nicht nur die CO2-, sondern auch die Stickstoff-Emissionen und die Kondensstreifen weg.

Und Wasserstoff (egal in welcher Form) hat einen weiteren Vorteil gegenüber Batterien: Er verspricht deutlich größere Reichweiten. Es könnte sein, dass sich die elektrischen Antriebe mit Batterie für den Kurzstreckenverkehr, der Wasserstoffantrieb für Langstrecke durchsetzt.

Ein neuer Impuls
Viele erinnern sich vielleicht: Im Jahr 2016 machte Bertrand Piccard Schlagzeilen, als er mit dem Solarflugzeug „Solar Impulse“ die Erde umrundete. Jetzt läuft eine weitere Planung: In vier Jahren, also 2028, möchte er wieder abheben, diesmal mit einem Wasserstoff-betriebenen „Climate Impulse“. Das ist technisch aus heutiger Sicht ambitioniert, denn für den neun Tage dauernden Flug muss der Wasserstoff in Tanks bei -253 Grad Celsius flüssig gehalten werden. Ziel dieses Projektes: Den Teufelskreis zwischen zu wenig Wasserstoffproduktion und zu wenig Einsatz von Wasserstoff in der Luftfahrt und auch anderen Industrien zu durchbrechen.

Alternative Treibstoffe
Hier macht sich eine 2011 gegründete Initiative Flugkraftstoffe aus regenerativen Energien, kurz „aireg“ stark, die mit einem Stand auf der ILA vertreten war. Doch die Randbedingungen dafür sind nicht eben optimal: Die deutschen Hersteller liegen hinter ihren Zeitplänen; die Mengen an notwendigen Treibstoffen sind nicht verfügbar; Fördergelder in diesem Bereich wurden zum Jahresanfang vom Bundesverkehrsministerium gestrichen. Auch die Ziele von aireg sind damit nicht wirklich ambitioniert: 10 Prozent synthetischer Flugzeugkraftstoff bis 2030 – da sind andere Branchen deutlich schneller.

Fazit
Die Luftfahrt kann sich dem Trend und Druck zur CO2-Neutralität nicht entziehen. Doch in diese Richtung voran geht es nur in sehr kleinen Schritten und scheinbar ohne größere Strategie. Auch ist nicht zu erkennen, dass das elektrische Fliegen von mehr Herstellern aufgegriffen wird, Wasserstoffnutzung ist noch in weiter Ferne. Das ist schade, doch das bedeutet schlicht, dass bis auf weiteres der beste Klimaschutz durch Nicht-Fliegen umgesetzt werden kann.