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Heinz Wraneschitz

Die Arbeitsverweigerer: Energiepolitiker – gibt’s die eigentlich noch?

Paradebeispiele „Maggus“ Söder und „Hubsi“ Aiwanger: Nein, das sind keine echten Energiepolitiker. Fotos: Wraneschitz

Eine Kritik von Heinz Wraneschitz

Zugegeben: es ist schon lange her, dass ich das Gefühl hatte, in diesem unserem Lande wird tatsächlich realistische Energiepolitik gemacht. Ja, da war mal was: der damalige CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl – oh, sorry, Doktor Helmut Kohl, so viel Zeit muss(te) sein – hat im Jahre 1990 das wegweisende Stromeinspeisungsgesetz SEG durchgesetzt. Seither sind „die Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet, den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus Erneuerbaren Energien abzunehmen und den eingespeisten Strom zu vergüten.“ Zuvor war es mehr dem Gutdünken des einzelnen lokalen Netzbetreibers überlassen, ob er Ökostrom abnimmt oder nicht. Nicht bewiesen ist, dass beim SEG ein späterer Bundeswirtschaftsminister Lobbyarbeit in eigener Sache betrieben hat. Aber Fakt ist auf jeden Fall: Peter Ramsauer (CSU), gelernter Müller und immerhin Gründungsmitglied beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), betreibt seit 2002 ein Wasserkraftwerk im oberbayerischen Traunwalchen.
Zur Erinnerung: CDU und CSU waren seinerzeit in einer Koalition mit der einst liberalen FDP.

Das Stromeinspeisungsgesetz war die Grundlage dafür, dass im Jahre 2000 die SPD-Grünen-Koalition unter dem (damals noch nicht Gas- und Putin-abhängigen) Kanzler Gerhard „nennt mich Gerd“ Schröder das weltweit beachtete Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG draufsetzen konnte. Dank dieser Energierevolution bekommt Strom aus Sonne, Wind, Biomasse, Geothermie oder Wasserkraft hierzulande gesicherte Einspeisevergütungen, die anfangs weit über den Marktpreisen für Normalstrom lag. Doch wieder zur Erinnerung: Nicht der eigentlich für Energie zuständige parteilose Wirtschaftsminister Werner Müller hat für dieses EEG gesorgt, sondern ein paar Abgeordnete aus den Regierungsparteien, zuvorderst Hermann Scheer (SPD) und Hans-Josef Fell (Grüne) haben den Gesetzesentwurf von ihren Büromitarbeitenden ausarbeiten lassen. Dass nachhaltige Energiepolitik also nicht unbedingt im Interesse der Exekutive liegt, sondern oft von der bundesparlamentarischen Legislative betrieben wird, hat sich seit dieser Zeit kaum verändert.

Minister gegen Erneuerbare Energiewende?
Vor allem die zuständigen Bundes-Energieminister (alle männlich) haben danach immer wieder bewiesen, dass sie eher gegen als für die Erneuerbaren eintreten. Sigmar Gabriel (SPD) beispielsweise hat als Energieminister dafür gesorgt, dass Ökostrom an der Börse vermarktet werden muss. Zu der Zeit lag der Preis für Wind- oder Solarstrom noch über jenem, für den Kohle- oder Atomstrom produziert wurde. Doch genau dieses Merit-Order-Prinzip, also die Kopplung an die teuerste Produktion, trug daran die Schuld, dass im Jahre 2022 durch die gerade wegen des putinschen Ukraine-Überfalls explodierenden Gaspreise für Wirtschaft wie für Normalkunden die Kosten für Strom aus Gaskraftwerken durch die Decke gingen. Und im Gegenzug erzielten Atom-, Kohle-, aber auch Wind- und Solarkraftwerksbetreiber Erlöse weit über ihren Produktionskosten.

Die ständigen Verschlimmbesserungen am EEG führten zuletzt zur Abschaffung der EEG-Umlage, die auf den allgemeinen Strompreis erhoben wurde. Die Abschaffungs-Idee stammt noch von CDU-Minister Peter Altmeier zu Zeiten der GroKo. Offensichtlich hatte der Mann nicht verstanden, dass dieses Prinzip dafür sorgte, dass die Förderung der Erneuerbaren Stromerzeugung nicht den Tatbestand der Subvention erfüllte. Doch tatsächlich abgeschafft wurde die EEG-Umlage erst von der nächsten, seit 2021 klima- und energiepolitisch dilettierenden Ampel-Regierung und vom dafür zuständigen Minister Robert Habeck (Grüne). Seither hat die EU-Kommission am EEG ein Wörtchen mitzureden – Stichwort „Subvention“. Und Betreiber und Planer:innen von Ökostrom-Kraftwerken müssen sich wieder stärker mit dem Fake-Vorwurf des Abgreifens von Subventionen herumschlagen.

Bayerns Regierungen stehen denen im Bund in nichts nach – im Gegenteil
Dilettieren – das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal von Bundesregierungen. Nehmen wir nur mal beispielsweise die freistaatlich-bayerischen Kabinette her: Bei denen war zum Beispiel Windkraft in den letzten 15 Jahren ein Spielball, den sie mal in diese und mal in die Gegenrichtung schossen. Egal ob der CSU-Ministerpräsident Horst „Drehhofer“ Seehofer hieß oder Markus („Maggus“) Söder heißt: Es wurde und wird Energiepolitik nach Gutdünken betrieben. Nicht nur bei der unsäglichen, immer noch nicht wirklich abgeschafften 10H-Windrad-Verhinderungsregelung: Es scheint, als fände vor allem die Gegenwind-Lobby immer offene Türen in Staatskanzlei oder Energieministerium vor.

Apropos Energie-Ministerium – oder besser -Mysterium. Dort residiert seit inzwischen fast sechs Jahren Hubert Aiwanger, der Bayern-, Bundes-, wenn nicht gar Weltchef der Freien Wähler, der allgemein als „Hubsi“ bekannt ist. Besser würde „Hupfi“ passen. Denn der Minister aus Niederbayern springt von einem Energie-Loch ins nächste. Nach außen bekennt er sich ja für den Ausbau der Erneuerbaren, lobt Bayern und damit wohl am meisten sich selbst als Solar-Ausbau-Weltmeister. Doch tatsächlich ist er wahrscheinlich ein eingefleischter Windverhinderer. Anders jedenfalls ist nicht zu erklären, dass Aiwanger sich am Montag dieser Woche hinter verschlossenen Türen mit ausgesuchten Windkraftgegner traf, um mit ihnen die weitere Vorgehensweise beim offiziell geplanten 40-Windmühlen-Park im Landkreis Altötting zu besprechen. Danach verlautete der Minister so etwas wie „alles wird gut“. Was der Vertreter der Windgegner in etwa so interpretierte: Wir wissen alle Windräder im Wald zu verhindern, also alles wird gut für uns.

Dazu muss man wissen: Der Freistaat Bayern – oder genauer: die bayerischen Staatsforsten, die seit letztem Herbst Aiwangers Mysterium zugeordnet sind – schreibt seine Wälder zur Bestückung mit Windrädern europaweit aus, sodass es lokalen Initiativen oder Bürgerwindgesellschaften kaum gelingen kann, bei der Vergabe einen Zuschlag zu bekommen. Im Kreis Altötting kam die Qair Deutschland GmbH zum Zuge für den erhofften Bau von 40 Windmühlen. Hinter der kleinen GmbH in der Zirkus-Krone-Straße in München steckt tatsächlich die multinational agierende französische Qair-Gruppe. Die bekam den Fuß unter anderem durch die Übernahme der insolventen Energiefirma Green City in die Tür nach Deutschland.

Und eigentlich, so ist aus der Bevölkerung rund um den geplanten Wind-Standort immer wieder zu hören, wäre dort das Interesse an Windkraft groß gewesen – wenn der Minister und seine Beamt:innen sich für die regionale Wertschöpfung durch Bürgerwind eingesetzt hätte, statt aus offensichtlichen finanziellen Gründen die Rechte an die Franzosen zu vergeben. Doch an dem ablehnenden Bürgerentscheid ist laut Aiwanger natürlich nicht er schuld, sondern sein Boss, Regierungschef Söder.

Hubsi Aiwanger macht tatsächlich nur Pseudo-Energiepolitik. Deshalb schiebt er die Schuld an der im Süden fehlenden Strommenge ebenfalls von sich und auf Bundesenergieminister Habeck. Gleichzeitig legt sich der Niederbayer aktuell mit Landesnachbar Thüringen an: Weil in Bayern zwar viel Wind weht, der aber keinen Strom produzieren darf, will der Freiwähler die Elektronen inzwischen sogar über eine weitere Drehstrom-Höchstspannungsleitung Ökostrom aus Deutschlands Norden herbeileiten. Zum Ungemach der thüringischen, Linke-geführten Staatsregierung, über deren Territorium diese zusätzliche, P540 genannte Trasse geführt werden würde. Doch auch hier weist Aiwanger jede Verantwortung von sich – das sei ja Sache der Bundesnetzagentur. Und die gehört wiederum zum Aufgabenbereich des Bundeswirtschaftsministers, nicht seiner freistaatlichen Behörde. Vom „Grünen Robert“ Habeck ist zu diesem Streit – natürlich? – keine wahrnehmbare Reaktion zu vernehmen.   

Kraftwerkspläne mit Gas und Atom statt mit Erneuerbaren Energien
Der Bund wiederum hat (s)eine so genannte Kraftwerksstrategie auf den Weg gebracht. Damit will die Ampelregierung das Versprechen „Klimaneutralität bis 2045“ einlösen. Doch wie soll das gehen, wenn jetzt wieder Kraftwerke mit der schon lange „Brückentechnologie“ genannten Gasversorgung gebaut werden? Jaja, aber Meiler die sind dann ja H2-ready, wird beschwichtigt. Doch woher dieser Wasserstoff (H2), der dann auch noch immer fein säuberlich mit dem Zusatz „Grün“ versehen wird, kommen soll? Zum Beispiel aus Algerien, verkündete jüngst Energiechef Habeck freudig. Aus einem afrikanischen Land also, dessen Stromproduktion zurzeit im unteren einstelligen Prozentbereich von Wind oder Sonne erzeugt wird. Genau dieses Land soll also zusätzlich zur eigenen Stromwende Deutschland mit Öko-H2 versorgen. Wer glaubt, das geht in wenigen Jahren, hat sicher einen Realitätsverlust.

So wie man auch Maggus I. von Bayern einen solchen unterstellen muss. Der jubelt gerade wieder einmal die ach so billige Kernenergie hoch. Wollte er letzten April noch das stillgelegte Atomkraftwerk Isar 2 in bayerischer Eigenregie weiterbetreiben, ist inzwischen von informierten Kreisen zu hören: Söder liebäugele mit Mini-Atomkraftwerken der immer wieder neuen Generation von Small Modular Reaktors (SMR). Selbst wenn die Dinger irgendwann einmal Wirklichkeit werden könnten, dürfte das Jahr 2045 dann schon lange in der Vergangenheit liegen. Wie auch bei Habecks Grün-Wasserstoff-Import-Phantasien aus fernen Ländern.

Statt Deutschland – und auch Bayern – unabhängiger von fremden Energierohstoffen zu machen, ob nun von irgendeinem Gas oder Atomgrundstoff, fabulieren die hiesigen, für Energie verantwortlichen Politiker (männlich) ins Blaue hinein.
Ihre Entscheidungen sind nur tagesaktuell. Und wenn sie tatsächlich Visionen haben, dann sind das solche, die in weiter Ferne liegen wie Kernfusion oder eine weltweite Wasserstoffwirtschaft.
Diese Wahrheit auszusprechen trauen sie sich aber nicht.
Von wichtigen, schnell umsetzbaren, nutzbaren Lösungen wie Wind, Sonne, Geothermie, Biomasse reden sie dagegen kaum mehr. Und die Schuld tragen jeweils die anderen. Ein trauriges Schauspiel.