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Jörg Sutter

Den LKW mit Oberleitung wird der Stecker gezogen

Batterietechnik überholt Oberleitung [Bild: Sutter]

Eine Analyse von Jörg Sutter

Die Idee ist einige Jahre alt: Warum fahren wir mit einem großen LKW nicht elektrisch und ziehen dabei den nötigen Strom wie bei der Straßenbahn aus einer Oberleitung? Drei Teststrecken wurden in Deutschland errichtet, um die Technik erstmals auszuprobieren und gemeinsam mit anderen Antriebsarten vergleichen zu können: Zum einen auf der Bundesstraße B 463 nahe Rastatt in Baden-Württemberg, auf der Autobahn A1 in Schleswig-Holstein und auf der A5 in Hessen.

Die Strecke bei Rastatt wurde ausgewählt, weil dort ein bestehender Werksverkehr zwischen zwei Papierherstellern mit regelmäßigen Transporten genutzt werden konnte, der Testbetrieb wurde hier bis Ende 2024 verlängert. Das Ziel des Testes: Ein genauer Technologievergleich, denn es wurden dort sowohl Oberleitungs-, batterieelektrische
und konventionelle LKW mit erneuerbaren Kraftstoffen auf gleicher Strecke parallel eingesetzt. Doch nun wurde mit der Planung des Rückbaus der Oberleitung begonnen, diese wird also bald wieder vollständig entfernt. Neben der späten Bereitstellung des batterieelektrischen Fahrzeugs gab es auch immer wieder Schwierigkeiten und Ausfälle bei den Oberleitungs-LKW.

Die Versuchsstrecke in Schleswig-Holstein nahe Lübeck war hier erfolgreicher: Auch dort wurden Oberleitung-Diesel und Oberleitungs-Batterie-LKW eingesetzt, die inzwischen über 13.000 Fahrten mit Oberleitungs-Verbindung absolviert haben. Auch hier endet der Förderzeitraum des Projektes im Dezember 2024. Berichtet wird von etlichen Schwierigkeiten: Von Verkehrsunfällen, Problemen bei besonderen Witterungsverhältnissen und auch einem hohen Verschleiß an der Oberleitung.

Bau des eHighways in Hessen 2018 [Bild: Sutter]

Die dritte und größte Teststrecke liegt auf der vielbefahrenen Autobahn A5 nahe Darmstadt und wurde 2019 mit 5 Kilometern Länge gebaut, im August 2023 wurde die Trasse auf 17 Kilometer Gesamtlänge erweitert. Dort wurden bis Mitte 2023 schon über 500.000 Fahrkilometer absolviert, der Betreiber, heute die Autobahn GmbH, hat Anfang 2023 eine positive Zwischenbilanz gezogen. Doch auch hier ist das Projekt bislang bis 2025 begrenzt, eine Verlängerung ungewiss.

Allgemein kann kritisiert werden, dass alle Versuchstrecken mit nur wenigen Kilometern Länge sehr kurz sind und die Testfahrzeuge schlicht zu spät in Betreib genommen werden konnten. Das hat nun sicher gereicht, um erste Erkenntnisse zu gewinnen, aber eine echte Fahrtauglichkeit kann damit nicht nachgewiesen werden. Details git es erst später: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden noch eine Weile auf sich warten lassen, nicht vor 2025 können wir mit einer detaillierten Auswertung und Ergebnissen rechnen.

Ladepark für elektrische LKW in Wörth/Baden-Württemberg [Bild: Sutter]

Nachdem inzwischen immer mehr LKW-Hersteller vollwertige batteriebetriebene Elektrofahrzeuge für die Langstrecke auf die Straße bringen und auch mit dem Ausbau der Ladestruktur dafür begonnen wurde, fehlt jetzt eine Argumentation für die Oberleitungs-LKW vollständig. Es wären für einen großtechnischen Einsatz schlicht gewaltigen Infrastrukturkosten notwendig, die den Aufwand nicht rechtfertigen können.
Und es geht dabei nicht nur um ein paar Stützen mit Leitungen: Vor allem an der Teststrecke A5 kann man gut erkennen, wie technisch komplex ein Oberleitungssystem zum Beispiel im Bereich einer Autobahnausfahrt oder einer Brücke werden kann – der Aufwand ist einfach zu groß.

Sowohl in Baden-Württemberg als auch in Schleswig-Holstein wünscht man sich zwar eine weitere Verlängerung der Förderung durch den Bund über dieses Jahr hinaus – doch das ist aus meiner Sicht sehr unwahrscheinlich. Der Versuch, den Güterfernverkehr mit Oberleitungen sauberer zu machen, ist gescheitert.