
Cartoon: Mährlein
Eine persönliche Wahrnehmung von Heinz Wraneschitz
CCS: Ja, das kannte ich, Carbon Capture and Storage, die Speicherung von Kohlendioxid (CO2) im Untergrund, die laut deutschem Umweltbundesamt UBA „dem Klimaschutz dienen soll“.
Dass selbst das UBA das Wörtchen „soll“ anfügt, beunruhigte mich schon immer. Denn ich zweifele sehr am Sinn von CCS, also dem Verstecken von CO2 in Löchern irgendwo im Untergrund.
Aber CDR? Bis zum Mittwoch, den 13. März dachte ich, das Kürzel steht für eine am Computer beschreibbare CD-Rom-Scheibe. Doch an diesem Abend nahm ich online an einer Veranstaltung von CDRMARE teil. Und seitdem weiß ich: es gibt auch noch CDR. So „bezeichnet die Fachwelt die aktive Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre“, weiß man im Bundesforschungsministerium, und nennt auch noch die ausführliche Erklärung des Kürzels: Carbon Dioxide Removal. Bei CDR spreche man „auch von >negativen Emissionen<“, so das Ministerium weiter.
In besagter Veranstaltung nannte Felix Schenuit von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP Berlin) mit CCU – Carbon Capture and Utilization – noch ein drittes Kürzel, durch das von der Industrie durch Verbrennung oder Produktionsverfahren in die Luft geblasenes CO2 wieder in die Erde gebracht werden kann. Denn von dort kommen bekanntlich Öl, Gas, Kohle; es könnte also echt Sinn machen, den Klimaschadstoff CO2 genau dorthin wieder zu packen. Aber besser wäre natürlich, ganz auf solche klimarelevanten Prozesse zu verzichten und auf Erneuerbare Energien zu setzen, die kein CO2 produzieren: Das sah auch Schenuit so, der in den drei Verfahren „keinen Ersatz für drastische Emissionsreduktion“ erkennen kann.
„Zukunftskoalition“ hat Konsens gegen CCS aufgekündigt
Professor Klaus Wallmann, der Leiter des „Geostor“-Projekts vom GEOMAR genannten Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, traute sich trotz seiner wohl schon jahrzehntelangen Forschungen zu CCS und mehr anzumerken: „Es war in Deutschland Konsens bis 2022: kein CCS.“ Zumindest unter unserem Boden. Doch 2023 habe die selbsternannte Berliner Zukunftskoalition beschlossen: Es sei besser, das CO2 unter deutschem Nordseegebiet zu speichern, „als den Müll den Nachbarn untern Teppich zu kehren“. Der Grüne Klimaminister Robert Habeck legte dazu im Februar 2024 einen Gesetzentwurf vor, der sowohl die CO2-Speicherung im Ausland als auch im deutschen Teil der Nordsee vorsieht.
Was Wellmann auch erwähnte: Die Speicherung ein bis zwei Kilometer unter dem Nordseeboden in porösen Bundsandsteinfeldern sei zwar „mittelteuer. Am Billigsten wäre es im Binnenland. Aber zum Beispiel in Niedersachsen gibt es tausende Bohrlöcher, die wir nicht beurteilen können.“ Außerdem gebe es „Störungszonen in den Deckschichten. Geologie ist immer kompliziert.“ Forschungen haben jedenfalls ergeben: Aus jeder Menge der 17000 Alt-Bohrlöcher in der Nordsee leckt weiter Erdgas, nach dem dort gesucht worden ist. Selbst wenn in deutschen Gewässern weniger Löcher seien: Auch unterm Meer müsse erst „geklärt werden, ob es sicher ist“. Denn von 121 untersuchten Bohrlöchern haben 74 Erdgasleckagen aufgewiesen, berichtete Prof. Wellmann, wenn auch nicht bei solchen in Deutschen Hoheitsgewässern.
Und was, wenn das unter den Meeresboden gedrückte CO2 wieder entweicht? Da komme es besonders auf den Druck an. Aber: „Wir wissen noch nicht, unter welchem Druck etwas entweichen kann.“ Versuche in den nächsten Jahren sollen das zeigen, so der GEOMAR-Wissenschaftler.
Und auch wenn das Wegzaubern des CO2 unter die Erde nicht an Land, sondern auf hoher See passieren sollte: Felix Schenuit von der SWP sieht „die Akzeptanzfrage nicht gelöst“. Und er fordert – womöglich stellvertretend für die industriellen Verursacher der klimaschädlichen Emissionen auch gleich „Subventionen für den Hochlauf“.
Blow Out möglich
Prof. Wellmann wiederum antwortete auf die Frage, „kann uns das gespeicherte CO2 um die Ohren fliegen?“ ganz offen: „Der Worst Case ist ein Blow Out. Der kann ab bestimmten Drücken passieren. Deshalb muss man ständig auf den Druck achten.“ Meine Frage, wer das jahrhundertelange Drucküberwachen bezahlen soll, blieb dagegen unbeantwortet.
Meine Angst, das verpresste CO2 bleibt nicht immer und ewig unter der Erde, hat sich nach diesem Online-Abend eher noch verstärkt. Denn wie sagte einst in den 1990er Jahren bei einer Veranstaltung an der Uni Erlangen ein maßgeblicher Siemens-Manager ganz offen: „Es reicht doch, wenn das Zeug 50 Jahre da unten bleibt.“ Das würde aber bedeuten: CCS, CCU und CDR verschieben unsere Verantwortung für den Klimakollaps auf die übernächste Generation.