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Heinz Wraneschitz

Biogas – nicht nur eine regionale Brückentechnologie

Die ganze Politiker:innen-Riege zwischen Vertretern der Biogasbranche. Foto: Wraneschitz

Ein Bericht von Heinz Wraneschitz

Bundes-Energie- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (B90/Grüne) setzt bei seiner (noch nicht endgültig verabschieden) „Kraftwerksstrategie“ auf Gas-Fossilien als „Brückentechnologie“. Wasserstoff (H2) will er nach eigenem Bekunden auf – oft verschlungenen – Kanälen selbst aus der Ukraine heranschaffen. Hubert „Hubsi“ Aiwanger (Freie Wähler) wiederum hat sich die >Blue Danube< als H2-Transportweg ausgesucht, also die laut Augsburger Puppenkisten-Räubern „Scheene blaue Donau“. Dafür bekommt das Erlanger Unternehmen Hydrogenious von Bund und Freistaat insgesamt bis zu 72,5 Millionen Euro Förderung“, was auch immer das „bis zu“ bedeutet.

Doch nicht nur – wie zu erwarten – der Fachverband Biogas (FVB) oder der CSU-Energiefachpolitiker Artur Auernhammer schlagen vor, mit bio-natürlich erzeugtem, einheimischem Gas betriebene Stromerzeugung Solar- oder Windlücken zu füllen: Selbst der als H2-Unterstützer bekannte Regierungsberater Prof. Michael Sterner empfiehlt „Biogas First“. Dass aber sogar die Energie-Sprecher:innen der Bundestags-Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP die Habeck`schen Strategien falsch finden, das hat die am „Bayerischen Biogas-Gipfel“ des FVB Anwesenden am vergangenen Freitag (12. Juli) in Merkendorf (Mittelfranken) wohl noch mehr überrascht.

Ein Grund für die Koalitions- und Oppositionskritik: Die zu geringen Ausschreibungsmengen für Biogas. Zur Erinnerung: Wer Anlagen zur Erzeugung Erneuerbaren Stroms – auch EEG-Anlagen genannt – größerer Leistung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert haben will, muss sich seit einigen Jahren mit einem Angebot für den Strompreis an von der Bundesnetzagentur (BNetzA) organisierten Ausschreibungen beteiligen. Für Biogas stand bei der jüngsten Ausschreibung im April 2024 gerade mal eine Leistung 240 Megawatt (MW) zur Verfügung. Das sei viel zu wenig, erklärten die Teilnehmenden des vom bundesweit agierenden FVB organisierten Biogas-Gipfels nun.

Robert Bugar, Geschäftsführer des Anlagenbauers Agrikomp, auf dessen Firmengelände im Energiepark Merkendorf das Treffen mit gut 100 Interessierten stattfand, wählte sehr deutliche Worte: „Die ist eine Sauerei, Wärmepumpe 2.0.“ So verglich er die aktuelle Bundes-Biogas-Politik mit dem Streit um das so genannte Heizungsgesetz im vergangenen Jahr. „In deutschlandweit 10.000 Bestandsanlagen wurde erheblich investiert, dann oft die Nahwärme gebaut. Und jetzt hab` ich Betreiber, die bei der Ausschreibung durchgefallen sind. Es ist kein Spaß, wenn funktionierende Anlagen im vollen Lauf abgeschossen werden. Sollen die Leute jetzt alle wieder eine Ölheizung einbauen?“, fragte Bugar in Richtung Berliner Ampelregierung.

Ausschreibungen – eine GroKo-Erfindung
Zur Erklärung: Bei den Ausschreibungen werden die Zuschläge an die jeweils Bestbietenden erteilt. Selbst bei Preisgleichheit kommen nicht alle zum Zuge: Es wird jeweils nur eine Gesamtleistung für EEG-Anlagen jeder Kategorie ausgeschrieben – also z.B. Sonnen-, Wind- oder Bioenergie. Für April 2024 wurden laut BNetzA für BGA „788 Gebote mit einer Gebotsmenge von 742 MW eingereicht“. Davon waren 780 Gebote mit 731 MW beantragter Förderung auf Bestandsanlagen. Doch nur „257 Zuschläge mit insgesamt 235 MW Gebotsmenge entfielen auf bereits in Betrieb genommene Anlagen“. Was bedeutet: Allein nach diesem April-Ergebnis stehen 523 BGA potenziell in den nächsten Jahren vor dem Aus. Außer die Politik erhöht die Ausschreibungsmengen massiv.

Der renommierte Energieforscher Prof. Michael Sterner von der OTH Regensburg fürchtet sogar das Gegenteil: „Biogas und Biomethan wird aus ideologischen Gründen zurückgefahren. Die Kraftwerksstrategie ist fokussiert auf Wasserstoff (H2). Ein Backup mit H2 ist bis zu viermal so teuer wie mit Biogas. Hier aber sind die Speicher schon da. Warum müssen wir also das Geld verbrennen?“ Christoph Spurk, Firmenvertreter im Präsidium des FVB, ergänzte: „Wir verstehen nicht, warum unsere weltweit nachgefragte, mittelständisch und landwirtschaftlich geprägte, dezentrale Technik in der deutschen Kraftwerksstrategie nicht mehr vorkommt.“

FVB-Geschäftsführer Manuel Maciejczyk stellte „die aktuelle Situation und den politischen Handlungsbedarf für die Branche“ dagegen. Es sei beileibe nicht mehr so, dass in BGA ausschließlich Mais vergoren werde: Immer stärker würde Gülle als „Futter“ für die in den Fermentern tätigen Bakterien eingesetzt. BGA vermieden jährlich 21 Mio. Tonnen CO2, produzierten 106 Mio. t organischen Wirtschaftsdünger und Torfersatzprodukte. Doch gerade in Bayern sei „Biogas existentiell. Die kommunale Wärmeplanung ist hier darauf aufgebaut“. Aus seiner Sicht ist „die Politik in Berlin ballungsraumnah angelegt, man vergisst dort den ländlichen Raum“.

Zwei Forderungen sind zentral
Eigentlich hatte der Biogas-Verband ein >8-Punkte-Forderungs-Papier< formuliert. Doch dessen Geschäftsführer Maciejczyk konzentrierte sich auf zwei dringende Haupt-Forderungen daraus: Zum einen müsste im Herbst 2024 nicht 240, sondern 1.800 MW Biogasanlagen-Leistung ausgeschrieben werden. Und zum anderen „muss Biogas ins kommende Kraftwerkssicherheitsgesetz fest mit rein“. Für beide Forderungen fanden die Biogasler:innen in der nachmittäglichen Diskussionsrunde die einvernehmliche Zustimmung der aus Berlin angereisten Bundestags-Abgeordneten: Markus Hümpfer (SPD), Lisa Badum (B90/Grüne), Daniel Föst (FDP) vertraten die drei Ampel-Fraktionen, Artur Auernhammer (CSU/CDU) war für die größte Fraktion der Opposition dabei. Die vier Energie-, Klima- und Bau-Sprecherinnen ihrer Parteien im Parlament machten deutlich: Hier stimmen sie fast komplett mit dem FVB überein. Womöglich deshalb resümierte Claudius da Costa Gomez, nicht nur Hauptgeschäftsführer des FVB, sondern gleichzeitig GF des Bundesverbands Erneuerbare Energien BEE deshalb mit einiger Hoffnung in der Stimme: „Wir sind als Verband offensichtlich durchgedrungen: Wir brauchen einen Energiewende-Plan, mit Biogas.“

Doch um in Berlin noch stärker gehört zu werden, hülfe womöglich der Vorschlag, den ein anwesender Biogas-Betreiber einbrachte. Er empfahl eine andere Art der Darstellung in der Öffentlichkeit: „Sagen wir doch Bio-Recycling oder organische Kreislaufwirtschaft. Auch die immer wieder hochkommende Tank-Teller-Diskussion ist für mich eine irrationale. Denn wir haben bei Gülle noch sehr viel Potenzial, da haben noch zwei Drittel ungenutzt.“ Und zur Finanzierung von noch mehr Ökoenergie empfahl er den Ampelvertreter:innen: „Geld ist genug da: bauen sie die 50 Mrd. fossilen Subventionen ab!“