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Jörg Sutter

Baden-Württemberg schafft Klimaziele nicht

Eine Analyse von Jörg Sutter

Ein Expertenbericht sollte die Landesregierung aufrütteln: Mit den aktuellen Maßnahmen sind die vom Bundesland beschlossenen Klimaziele nicht zu schaffen.
Der Bericht enthält genaue Analysen, welche Maßnahmen greifen und welche Sektoren aus welchen Gründen die Klimaziele wohl nicht schaffen werden.

Bild 1 Deckblatt Bericht [Quelle: Projektionsbericht]

Alle drei Jahre ein Projektionsbericht
Immerhin: Nicht alle Bundesländer haben im Bereich Klimaschutz ein so transparentes Fortschreiben der Klimaziele und berichten auch darüber. Baden-Württemberg hat dazu ein jährliches Monitoring mit einem Emissionsbericht und Sektorberichten der einzelnen Ministerien. Dazu kommt alle drei Jahre ein Projektionsbericht, der aktuell wieder vorgelegt wurde. Hier stehen die aktuellen Unterlagen zum Download bereit.

Drei Organisationen aus dem Ländle stehen für die Erarbeitung des Berichtes: Das IREES aus Karlsruhe, das Öko-Institut aus Freiburg und das Fraunhofer ISI aus Karlsruhe, das im Namen System und Innovationsforschung betreibt.

Projektionsbericht: Berechnungen für 2030 und 2040
Das Klimaschutzgesetz des Landes hat zum Ziel, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 65 % zu reduzieren und im Jahr 2040 die Netto-Klimaneutralität zu erreichen. Mit dem Ziel verbunden sind für das Jahr 2030 auch Sektorziele, für 2040 ist bislang nur das Gesamtziel definiert. Für den Projektionsbericht wurde zunächst eine Maßnahmenliste zusammengestellt aller politischen Maßnahmen, die europäisch, bundesweit oder im Land beschlossen oder bereits nahe am Beschluss politisch auf dem Weg sind. Diese Liste wird ebenfalls veröffentlicht und findet sich hier. Sie beeindruckt, denn hier wird deutlich, was in den vergangenen Jahren bereits angepackt wurde – und das ist eine ganze Menge in den unterschiedlichsten Bereichen. Ein Beispiel: In den landeseigenen Krankenhäusern wird seit Jahren eine Umstellung von Narkosegasen in den Operationssälen vorgenommen, da die bisher verwendeten Gasen eine hohe Klimaschädlichkeit aufweisen.

Doch nun zum eigentlichen Projektionsbericht. Dieser hat einem Umfang vom 145 Seiten und ist genau wie die anderen Unterlagen frei zugängig, das pdf zum Nachlesen findet sich hier. Das wichtigste Ergebnis: Mit den vielen angesetzten Annahmen ergibt die Projektion einen Rückgang der Treibhausgase von 54 (statt 65) Prozent bis 2030 und keine Klimaneutralität in 2040, sondern in dem Jahr noch immer Emissionen von 21,3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent. Wie allgemein üblich sind n dieser Angabe weitere klimaschädlichen Gase auf CO2 umgerechnet und werden gemeinsam mit CO2 betrachtet.

Projektionsergebnisse [Quelle: Projektionsbericht]

Bild 2 zeigt die Szenarien mit den folgenden wichtigsten Anmerkungen:

a) Die Energiewirtschaft trägt deutlich zur Überschreitung bei, dafür sind zwei Steinkohlekraftwerke verantwortlich, die nach Planung erst nach 2030 abgeschaltet werden.

b) Die Industrie schafft die Ziele fast – hauptsächlich durch Umstellung von erdgas- auf strombasierte Prozesse.

c) Der Verkehr reißt die Ziele deutlich – mit 4,6 Mio. Tonnen CO2-Äquivalet um den dreifachen Wert im Vergleich mit dem Wert der Energiewirtschaft. Die Hauptbegründung hier: Schwacher bundesweiter Hochlauf von Elektromobilität, Unsicherheit über das Deutschlandticket, aber auch der Erfolg (mit über 700.000 Tonnen CO2-Äquivalent) von Landesmaßnahmen wie Radwegausbau und „Dienstreisen klimafreundlicher machen“.

d) Der Gebäudesektor erfüllt die Ziele (im Gegensatz zum bundesweiten Trend, wo Gebäude und Verkehr in den letzten Jahren immer die „rote Laterne“ bekamen).
Begründung: Im Ländle fließen im deutlich mehr Fördermittel in die Gebäudesanierung (2021: 169 pro Einwohner gegenüber 116 Euro pro Einwohner im Bundesdurchschnitt). Außerdem war das Land schon vor Jahren Vorreiter bei der Wärmeplanung.

Klimaziele nach Sektoren bis 2030 nach Klimagesetz Baden-Württemberg [Quelle: Projektionsbericht]

Bild 3 zeigt die Minderungsziele, die im Klimaschutzgesetz des Landes seit der Modifizierung im Jahr 2023 verankert sind.

Der Bericht erläutert die einzelnen Sektoren dann im Detail mit Maßnahmen und Sensitivitätsanalysen und ordnet dann auch die Ergebnisse noch im Vergleich zum Sondergutachtens des Expertenrates für Klimafragen für den nationalen Projektionsbericht ein.

Mit Vorlage des Projektionsberichtes ist die Fragestellung nun erst einmal bestmöglichst beantwortet und das Verfehlen der Klimaziele wird deutlich. Jetzt ist die Politik wieder am Zug: Welche Maßnahmen werden zusätzlich ergriffen oder verschärft, um die Ziele wieder in die Erreichbarkeit zu bekommen? Man darf gespannt sein, ob das „Musterländle“ hier in den nächsten Monaten politisch nachlegt. Zeit ist für die grün-schwarze Landesregierung genug, die nächste Landtagswahl ist erst für Frühjahr 2026 vorgesehen.