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Heinz Wraneschitz

Ohne Biogas keine Strom-Wende möglich

Wind-Solar-Biogas: Die drei Grünstromerzeuger ergänzen sich hervorragend. [Foto: Wraneschitz]

Ein Bericht von Heinz Wraneschitz

Eine nun vorgestellte Studie der Friedrich-Alexander-Uni Erlangen-Nürnberg (FAU) zeigt: Die Bundesregierung ist mit ihrer kürzlichen Bioenergie-Wende in der Kraftwerksstrategie zwar auf dem richtigen Weg. Doch noch sind viele Bürokratie-Hügel abzutragen.

Als der Fachverband Biogas (FVB) im Frühjahr 2024 den Lehrstuhl für Energieverfahrenstechnik der FAU mit der Studie beauftragte, sah alles nach einem mittelfristigen Aus der meisten der über 10.000 Biogasanlagen in diesem unserem Lande (kurz: iduL) aus. Denn in der Kraftwerksstrategie von Bundes-Wirtschafts-, Energie- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) kam Biogas zur Erzeugung von Strom nicht mehr vor. Stattdessen hatte die Bundesregierung im Februar, also kurz vorher bekanntgegeben, für 10 Gigawatt benötigte Reserveleistung vor allem auf Gas- und Wasserstoff-Kraftwerke zu setzen. Die Studie sollte also helfen, die Regierung vom Sinn der Bioenergie zu überzeugen.

Noch vor wenigen Wochen, zum Beispiel, als im fränkischen Merkendorf der vom FVB getragene Bayerische Biogasgipfel stattfand, stand den oft bäuerlichen Betreiber:innen die Angst vor dem Biogas-Aus noch ins Gesicht geschrieben (DGS-News berichteten). Selbst die dabei anwesenden Energie-Sprecher:innen der Bundes-Ampel-Koalition waren mit diesen teilfossilen Habeckschen Kraftwerksplänen nicht einverstanden.

Zudem: Neben Strom produzieren die meisten Biogasanlagen – gerade am Land – auch Nah-Wärme für die Dörfer. Ein Biogas-Aus könnte womöglich bedeuten: Viele Menschen auf dem Land müssten wieder zu fossilen Energieträgern wie Öl oder Erdgas umschwenken, um ihre Häuser zu beheizen. Diese Gefahr scheint durch Habecks Rück-Wende hin zu Bio- statt Erdgas nun erst einmal gebannt. Doch „Lisa Badum hat uns ausdrücklich aufgefordert, weiter Druck auszuüben. Der Druck muss im Kessel erhalten bleiben“, zitierte Claudius da Costa Gomez die Bundestags-Energiesprecherin der Grünen aus persönlichen Gesprächen der letzten Wochen.

Gomez ist einerseits Hauptgeschäftsführer des FVB, in Personalunion aber auch Geschäftsführer des Erneuerbare-Energien-Branchenverbands BEE, der sich um die öffentliche und interne Kommunikation mit den politisch Verantwortlichen kümmert. Wohl deshalb moderierte er die Vorstellung der besagten FAU-Studie. Denn der Auftrag an die Forschenden um Lehrstuhlinhaber Jürgen Karl lautete, die Frage zu beantworten: Welche Rolle kann Biogas im künftigen Erneuerbaren Energiesystem spielen?

Wie werden Dunkelflauten überbrückt?
Die gefundenen Antworten präsentierte der Professor im Rahmen der Studienvorstellung als Kernbotschaften. „Stehen bei künftigen Versorgungsengpässen keine ausreichenden Import- oder DSM-Kapazitäten (Demand Side Management = Laststeuerung; d. Red.zur Verfügung, müssen wasserstoff- und biogasbasierte Reservekraftwerke bereitstehen, um die Versorgung sicher zu stellen“, lautete eine davon. Denn das künftig klimaneutrale Energiesystem baut vor allem auf Strom. Den wiederum sollen möglichst hierzulande neu errichtete Wind- und Photovoltaik-Kraftwerke liefern. Und die wiederum haben die gravierende „Herausforderung Dunkelflauten: längere Perioden mit wenig PV und Winderzeugung. Historische Daten zeigen: Dunkelflauten dauern bis 280 Stunden bzw. 160 “Volllaststunden”“, erläuterte Jürgen Karl in seiner Präsentation.

Für diesen notwendigen Reservekraftwerks-Mix aus Wasserstoff und Biogas wiederum plädiert das Forschungsteam vor allem für das von Bakterien erzeugte Methan. Denn das werde einerseits künftig vor allem aus Reststoffen erzeugt, beispielsweise der Ernährungsmittelindustrie, aber auch aus der immer noch in großen Mengen ungenützten Gülle – das gebe schon die Gesetzeslage vor, hieß es. Doch für die Biogas-Empfehlung wesentlich ist laut Professor Karl neben der schnelleren Realisierbarkeit dieses als Kernbotschaft vorgetragene Argument: „Biogasbasierte Reservekraftwerke reduzieren den Investitionsbedarf gegenüber wasserstoffbasierten Reservekraftwerken bis Jahr 2030 um den Faktor 1,9 bis 3,7.“ Biogasanlagen seien also durch größere Speicher und zusätzliche Stromerzeuger wesentlich billiger in der Lage, die Dunkelflauten zu decken, als dies Wasserstoff-Kraftwerken könnten. Letztere müssten zudem komplett neu errichtet werden. Das würde lange dauern – die mehr als 10.000 übers ganze Land verteilten Biogasanlagen seien dagegen bereits vorhanden. Nur die Überbauung – also größere Gasspeicher und Blockheizkraftwerke mit höherer Leistung – seien für die Flexibilisierung notwendig.

Prof. Karl glaubt zudem augenscheinlich nicht an die Versprechungen, dass in wenigen Jahren genügend Grüner, also mit Ökostrom erzeugter Wasserstoff iduL vorhanden ist: Wenn überhaupt, müsse der teuer importiert werden. Das wiederum treibe den Preis für die Stromerzeugung nach oben. „Biogasbasierte Reservekraftwerke reduzieren die spezifischen Stromerzeugungskosten im Jahr 2030 gegenüber wasserstoffbasierten Reservekraftwerken um den Faktor 1,5 bis 2,4“, hat das FAU-Team konkret errechnet: „Sie begrenzen künftige Preissteigerungen also substanziell.“

„Die große Nebelwolke Gaskraftwerke“
Das Fazit von Lehrstuhlinhaber Jürgen Karl, „Biogas die einzige relevante Alternative zu Wasserstoff, um Dunkelflauten abzusichern“, kam natürlich bei Horst Seide sehr gut an. Der Landwirt und ehrenamtliche Präsident des FVB verwies ebenfalls auf die „große Nebelwolke der Wasserstoff- und Gaskraftwerke, die erst gebaut werden müssen“. Doch er machte deutlich: Bis jetzt sei noch nicht bekannt, wie genau das kürzlich überraschende, regierungsseitige Bekenntnis zur Biomasse ausgestaltet werden wird. So wurde in der jüngsten Ausschreibung der Bundesnetzagentur die Menge zuschlagfähiger Biogas-Angebote nicht erhöht; „das hemmt natürlich den Ausbau massiv“, so Seide. Doch er sei „guter Dinge für die nächsten Ausschreibungen“, dass die Ausschreibungsmengen stark nach oben gehen.

Als Problem für die Leistungserhöhung der einzelnen Biogaskraftwerke – „die Menge des erzeugten Stroms bleibt ja insgesamt gleich“ – sieht Seide vor allem „bürokratische Hürden. Warum soll eine Biogasanlage, die genauso viel Gas produziert wie vorher, plötzlich in die Nachhaltigkeitsverordnung? Von BImSch (Bundesimmissionsschutzgesetz; d.Red.) bis Störfallverordnung: passen die Regelungen noch in die Zeit?“ Und dann gebe es auch noch „die Netzbetreiber. Die sagen: Höhere Motorenleistung geht nicht. Sie gehen nämlich davon aus, dass gleichzeitig PV, Wind und Biogas einspeist. Doch genau das wollen wir ja durch die Flexibilisierung vermeiden.“ Man sei aber bei der Regierung mit diesen Themen „auf offene Ohren gestoßen. Einiges soll noch im Herbst umgesetzt werden – aber schaumermal. Wenn sich nichts ändert, werden viele nicht flexibilisieren können“, sagte der Biogas-Präsident jedoch im Nichtstun-Fall der Regierung voraus.

Wird’s womöglich dunkel bei der Dunkelflaute?
Und dann wiederum könnte es bei Dunkelflauten auch in unseren Häusern dunkel werden. Noch einmal Prof. Jürgen Karl: „Wir haben zwar genug Netzverknüpfungspunkte für Stromimporte. Aber sind die Nachbarn überhaupt bereit, haben zum Beispiel die Franzosen genug Überschuss, um an uns zu liefern? Schauen Sie nur auf die Atomkraftwerke in Frankreich: Die Versprödung des Reaktormaterials begrenzt die Lebensdauer – und ein Ersatz für diese alten Meiler ist nicht in Sicht. Der Ausbau der Erneuerbaren geht in den Nachbarstaaten auch nicht schneller als bei uns. Und bedenken Sie: Wenn Norddeutschland Dunkelflaute hat, ist die in Dänemark auch.