08.07.2022
Das EEG 2023 ist durch – und wurde auf den letzten Metern nochmals verbessert
Eine Analyse von Jörg Sutter
Es gelang wieder einmal auf den letzten Metern – wie so oft „kurz vor knapp“: Am Donnerstagvormittag setzte der Deutsche Bundestag noch eine ganze Menge Energiegesetze zur 2. und 3. Lesung auf die Tagesordnung – am zweitletzten Tag vor der Sommerpause: Neben Änderungen des Windenergie-auf-See-Gesetzes, des Bundesnaturschutzgesetzes kam auch der „Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor“ zur Abstimmung - darin sind die Änderungen des EEG enthalten. Mit einer Mehrheit zu 379 zu 281 Stimmen wurden die geplanten Änderungen dann angenommen.
Die wichtigsten Änderungen für PV
Die Photovoltaik in Deutschland soll massiv ausgebaut werden. Nachdem im vergangenen Jahr rund 5,3 GW neue Anlagen aufgebaut wurden, sollen es dieses Jahr 7, nächstes Jahr 9 und ab 2026 ganze 22 GW pro Jahr werden (siehe Bild oben). Je zur Hälfte sollen Freiflächen und Dächer belegt werden.
- Der Bau von regenerativen Anlagen wird zum „öffentlichen Interesse“ erklärt, gewinnt damit in der juristischen Abwägung verschiedener Interessen an Gewicht.
- Netzbetreiber müssen zukünftig ein Portal für Netzanfragen zur Verfügung stellen, die Netzanfragen werden digitalisiert und beschleunigt. Auch eine bundesweite Vereinheitlichung wird angestrebt.
- Die EEG-Umlage entfällt: Sämtliche 20 Paragrafen dazu sind aus dem EEG ersatzlos gestrichen worden.
- Auch gestrichen (das hatten nicht nur wir als DGS schon seit Januar gefordert): Die bislang geforderte Leistungsbegrenzung auf 70 % bei Anlagen bis 25 kWp entfällt ersatzlos.
- Die fundamentalste Änderung: Die Höhe der Vergütung ist zukünftig abhängig davon, ob eine Eigenversorgungs- oder eine Volleinspeiseanlage betrieben wird.
- Die Vergütungssätze wurden angehoben: Anlagen bis 10 kWp erhalten 8,2 Cent pro kWh. Ist die Anlage größer, erhält der Anlagenteil ab 10 kWp (bis 40 kWp) 7,1 Cent pro kWp. Die Sätze bei Eigenversorgungsanlagen wurden damit gegenüber dem bisherigen Gesetzesverfahren nochmals angehoben.
- Volleinspeiseanlagen erhalten noch deutlich höhere Vergütungssätze.
- Die Degression (monatliche Absenkung der Vergütungssätze) wird bis Januar 2024 ausgesetzt.
- Anlagen bis 20 kWp werden zukünftig auch auf dem Grundstück vergütet, wenn sich das Hausdach nicht eignet (Garten, Carport etc.)
- Die Begrenzung bei Mieterstrom auf 100 kWp entfällt.
- Der Randstreifen bei Freiflächenanlagen wird von 200 auf 500 m verbreitert
- Für große Bürgerenergieanlagen (bis 6 MW) wurde der zeitliche Abstand zweier Projekte reduziert.
Ein „Achtung“ bleibt
Die Änderungen des EEG 2023 haben teils sofortige Auswirkungen, der größte Teil der Änderungen wirkt jedoch erst zum 1.1.2023. Bis dahin gelten viele Regelungen des EEG 2021 weiter, obwohl schon die neuen Regeln verabschiedet sind. Und mit „sofort“ ist natürlich auch nicht heute gemeint, sondern der Tag nach der kommenden Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt.
Und es wird noch komplizierter: Die bürokratische Regelung des „Tag X“, der ursprünglich enthalten war für die Nutzung der neuen Vergütungssätze ist zwar entfallen, doch es muss trotzdem eventuell mit der Anwendung auf die Freigabe der EU-Kommission gewartet werden, das ist aktuell noch unsicher. Wann diese jedoch vorliegt, ist unklar, das kann noch bis in den Herbst dauern..
Die Unterlagen dazu
Auf der Website des Bundestages lassen sich die dazugehörigen Texte abrufen. Das Problem zur Lesbarkeit ist wieder das übliche: Man benötigt drei Unterlagen, um die Änderungen überblicken zu können:
- das aktuelle EEG 2021 als jetzt gültige Grundlage der Änderungen.
- die Drucksache 20/1630 (siehe Link Bundestag oben), das ist die Beschreibung der Änderungen, die die Regierung beschlossen hatte.
- die Beschlüsse des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom Dienstag, die in der Drucksache 20/2580 enthalten sind (auch im Link oben). Diese Änderungen beziehen sich aber nicht auf 1. sondern auf 2..
Wer mehr zu Details der Inhalte erfahren möchte, ist mit Fachartikeln oder dem Besuch eines Vortrags oder Webinars sicherlich besser bedient. Nicht nur die komplexe Verknüpfung der genannten Unterlagen, sondern natürlich auch die juristische Sprache machen eine Interpretation nicht leicht.
Beschleunigungswille sichtbar
Sicherlich war es auch der aktuellen Krise geschuldet, dem Krieg in der Ukraine und der Frage, wie lange russisches Gas bei uns noch ankommt. Jedenfalls beim EEG wird sichtbar, dass die Politik in Berlin nun wirklich einen beschleunigten Zubau erreichen will. Sicher, es hätte immer noch mehr gemacht werden können, denn das EEG bleibt auch im kommenden Jahr noch ein bürokratisches Monster. Doch sind ja bereits weitere Änderungen angekündigt. Auch das bitter vermisste Energy-Sharing soll in der nächsten Novelle nachgeholt und ins EEG aufgenommen werden. Auch der verabschiedete Entschließungsantrag setzt Marken: Die steuerliche Behandlung von kleiner PV soll einfacher werden, Steckersolar soll einfacher werden und vieles mehr.
Die, wie wir finden, insgesamt positiven EEG-Änderung sind auch unter einem anderen Aspekt wichtig: Gerade einen Tag zuvor hat das EU-Parlament bei der Taxonomie bewiesen, dass die fossile Energiewirtschaft immer noch zu mächtig ist. Und wir wollen auch noch einen kurzen Blick auf einen Gesetzentwurf legen, der ebenfalls am Donnerstag behandelt (und abgelehnt) wurde: Eine 20jährige Laufzeitzusage für den Weiterbetrieb der drei letzten Kernkraftwerke nebst späterer Wiederinbetriebnahme weiterer, schon stillgelegter Anlagen hatte die AfD beantragt. Zudem hatte auch Friedrich Merz schon signalisiert, dass das für ihn eine Lösung sei. Was hätten wir also heute für energiepolitische Entscheidungen gesehen, wenn im Oktober 2021 kein Regierungswechsel stattgefunden hätte?
Fazit
Das neue EEG ist inhaltlich durchaus positiv zu sehen und erstmals seit langem haben wir den Eindruck, dass die Stellungnahmen der Verbände und ihre begründeten Anmerkungen und Vorschläge viel Gehör gefunden haben. Die Arbeit hat sich gelohnt. Jetzt wird es für uns als DGS darum gehen, die Anwendung zu begleiten und Fragen zu den vielen unklaren Details zu beantworten, bevor wieder die nächsten Novellen vor der Tür stehen.